006 - Der Fluch der blutenden Augen
erklang in voller Lautstärke und
ließ die Membrane der Lautsprecher erbeben. Die Lichterketten sprangen an, Mr.
Turings ölige Stimme forderte die Herumstehenden auf, an die Kasse zu treten
und Karten zu kaufen.
Larry Brent und Inspektor Hopkins standen ein wenig abseits.
»Das Leben geht weiter, schnell sogar, wie Sie sehen, Mister Brent.«
Hopkins bot dem PSA-Agenten eine Zigarette an.
X-RAY-3 nickte abwesend. Die Neugierigen trotteten davon, die Grüppchen
lösten sich auf.
»Und vielleicht ist das gut so, nicht wahr?«, fuhr Inspektor Hopkins
zwischen zwei Zügen fort. »Wohin kämen wir, wenn jede Belastung an uns
hängenbliebe?« Larry wusste diese Worte recht gut zu deuten. Der Inspektor war
ein Mann, der sich im Lauf der Zeit eine dicke Haut und eine eigene Lebensphilosophie
zurechtgelegt hatte. Ob diese Philosophie jedoch uneingeschränkt anwendbar war,
wagte er zu bezweifeln.
»Vielleicht sind Sie nicht überzeugt davon, dass die Dinge so liegen, wie
Sie wirklich sind, Mister Brent«, sagte Inspektor Hopkins beim Davongehen.
»Doch im ersten Augenblick sieht alles anders aus, als man denkt. Ich an Ihrer
Stelle wäre sogar froh darum, dass die Angelegenheit sich – vorerst jedenfalls
– so entwickelt hat. Zu Ihrem Vorteil doch, nicht wahr? Oder wäre es Ihnen
lieber gewesen, wenn die Spur eines Verdachtes übriggeblieben wäre? Ein
Verdacht, den ich nur auf Sie zurückführen hätte können, Mister Brent, bedenken
Sie das immer! Sie waren schließlich zuletzt mit der Toten zusammen, nicht
wahr?« Mit diesen Worten tastete Inspektor Hopkins die Innentasche seines
Jacketts ab, nickte zufrieden und wandte sich ab. »Ihre Anschrift vom Hotel
habe ich. Falls noch irgendetwas sein sollte – was ich nicht glaube – weiß ich,
wohin ich mich wenden muss. Lassen Sie sich den Abend nicht vermiesen, Mister
Brent! Genießen Sie die Tage, die Sie noch in England haben! Ich wünsche Ihnen
einen guten Aufenthalt in unserem Land!«
Der Inspektor tippte an die Hutkrempe, winkte seinen beiden Begleitern, die
noch zurückgeblieben waren, und stapfte über den mit Schotter überdeckten, ein
wenig matschigen Boden davon.
Larry stand nachdenklich in der Nähe der Geisterbahn. Der Betrieb lief
wieder, als wäre nichts geschehen.
Mr. Turing saß hinter dem kleinen Fenster seiner Kasse. Seine fetten Finger
nahmen das Geld entgegen und gaben Karten aus, während er die Musikpausen immer
wieder dazu benutzte, die gespenstische Gestaltung seiner Geisterbahn lautstark
zu verkünden. Er schreckte jetzt nicht einmal davor zurück, Leute mit schwachem
Herz davor zu warnen, eine Fahrt mit seiner Bahn zu wagen.
»Sie müssen Nerven wie Drahtseile haben, um das zu verdauen, was Ihnen
Turings Geisterbahn bietet, Herrschaften!« Und er schaltete einen Lautsprecher
zur Innenübertragung um. Schreie des Erschreckens und des Vergnügens! »Kommen
Sie, sehen Sie, staunen Sie. Für alleinreisende Damen ist Vorsicht geboten! Am
besten ist es, Sie nehmen sich einen männlichen Begleiter mit!«
Er schlug Kapital aus dem ungewöhnlichen Vorfall vor einer halben Stunde.
X-RAY-3 näherte sich der Kasse. Er war mit der Vorstellung des Inspektors nicht
zufrieden. Hopkins sah die Dinge anders als er. Der Amerikaner hatte sich dem
Scotland Yard-Beamten gegenüber als Tourist ausgegeben. So ahnte dieser nicht
einmal, mit wem er wirklich gesprochen hatte. Wenn es für Larry brenzlig
geworden wäre, hätte er sich anderer Kanäle bedienen müssen, um einer
eventuellen Verhaftung vorzubeugen. Larry löste noch einmal eine Karte für die
Geisterbahn. Ein Phänomen beschäftigte ihn.
Mr. Turing war so mit dem Kartenausgeben beschäftigt, dass er auf den
einzelnen Fahrgast nicht achtete. Larry stieg in einen roten Wagen, der langsam
heranratterte. Ein junger Bursche von knapp neunzehn Jahren teilte das
Wägelchen mit ihm.
Die Fahrt ging los. Larry achtete mit aufmerksamen Augen auf die Dinge, die
ihm geboten wurden, die ihn erschrecken und gruseln sollten. Er kam an der
Stelle vorbei, wo die Glöckchen hingen. Ein schrilles und nerventötendes
Gebimmel ging los, als die Seitenwände des Wagens die beiden Federn in
Vibrationen versetzten.
Der Wagen rollte weiter, kam an der letzten, unheimlich aufglühenden
Gestalt vorüber und stieß die Tür nach draußen auf.
Und da wusste er es!
Der Wagen war nicht stehengeblieben, wie das vorhin der Fall gewesen war!
Er nutzte die erstbeste Gelegenheit, um sich an Mr. Turing zu wenden.
Der Besitzer der
Weitere Kostenlose Bücher