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006 - Die Schuld des Anderen

006 - Die Schuld des Anderen

Titel: 006 - Die Schuld des Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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diesen jungen Amerikaner. Comstock Bell war ein auffallend gut aussehender Mann, hochgewachsen und bis auf einen kleinen Schnurrbart glattrasiert. Man erzählte sich, daß er sehr reich sei und -unverheiratet, weshalb es nur natürlich war, daß sich die Damenwelt auffallend viel und eingehend mit ihm beschäftigte.
    Gold stützte sich mit den Ellbogen auf die Brüstung, immer noch mit dem Blick dem jungen Mann folgend. Bell erwiderte nur nachlässig die Zurufe der anderen und machte keinen besonders glücklichen Eindruck. Jetzt wandte er sich an eine kleine Gruppe von Herren, die ihn sehr zuvorkommend begrüßten, doch dauerte die Unterhaltung nicht lange, und gleich darauf verschwand er hinter der Portiere im Empfangssalon.
    »Merkwürdig - «, murmelte Mr. Gold in Gedanken versunken vor sich hin.
    »Was ist merkwürdig?« fragte jemand.
    Dicht neben Gold stand ein Herr an der Brüstung.
    »Hallo, Helder! Interessieren Sie sich auch für gesellschaftliche Ereignisse?«
    »Eigentlich nicht besonders«, antwortete der andere. »Zum Teil finde ich sie sogar furchtbar langweilig. Aber soeben sagten Sie doch, daß etwas merkwürdig sei - was meinten Sie damit?«
    Gold lächelte, nahm seinen Klemmer ab und schaute Helder aufmerksam an.
    »Die Jagd nach Vergnügen, oder der Ehrgeiz, die Karrieresucht, Modetorheiten - all das ist vom Standpunkt eines vernünftigen Menschen aus ungewöhnlich und merkwürdig, finden Sie nicht auch?«
    Helder war auch Amerikaner. Groß und massig, sah er ganz danach aus, als würde er gutes Essen und Trinken zu schätzen wissen. Er war bekannt dafür, jederzeit über den neuesten Klatsch informiert zu sein.
    »Haben Sie schon bemerkt, daß Comstock Bell da ist?« fragte er unvermutet.
    Gold nickte nur.
    »Finden Sie nicht, daß sein Gesichtsausdruck - merkwürdig ist, so, als ob ihm etwas Sorgen machen würde?«
    Gold streifte Helder mit einem schnellen Seitenblick.
    »Das ist Ihnen aufgefallen?« fragte er unbeteiligt.
    »Meiner Meinung nach steht ihm die Nervosität auf der Nasenspitze geschrieben. Das ist bei einem reichen und unabhängigen jungen Mann ziemlich seltsam.«
    »Es gibt noch seltsamere Dinge.«
    Helder ließ nicht locker.
    »Neulich habe ich mit Villier Lecomte gesprochen …«
    Gold wurde aufmerksam. Es war klar, Helder wollte sich nicht einfach nur mit ihm unterhalten, sondern er wollte etwas ganz Bestimmtes, das Comstock Bell betraf, an die richtige Adresse bringen.
    »Mit wem haben Sie gesprochen?«
    »Mit Villier Lecomte - Sie kennen ihn doch?«
    Gold kannte Lecomte, den Chef der französischen Kriminalpolizei, sehr gut, ja, man konnte sagen, daß er mit ihm so gut bekannt war wie mit seinem eigenen Bruder -aber es gab viele Gründe, weshalb er dies nicht gerne zugeben wollte.
    »Nein«; antwortete er deshalb, »nur den Namen muß ich schon irgendwo gehört haben.«
    »Er ist ein hohes Tier bei der Pariser Kriminalpolizei. Neulich war er hier, und ich sprach mit ihm.«
    »Sehr interessant«, sagte Gold. »Und was hat er Ihnen denn erzählt?«
    »Oh, er wußte einiges über Comstock Bell«, erwiderte Helder und beobachtete Gold scharf.
    »Und wie kommt es, daß Mr. Bell die Aufmerksamkeit der französischen Polizei auf sich gezogen hat?«
    »Aber wissen Sie denn wirklich nicht, daß Bell früher einmal Mitglied des ›Klubs der Verbreche‹ war?«
    Gold lachte.
    »›Klub der Verbreche‹? Noch nie gehört!«
    Helder zögerte. Es standen außer ihnen noch andere Leute an der Brüstung und schauten auf die Leute hinunter. Eine junge Dame zum Beispiel, die sich neben ihnen über das Geländer beugte, konnte ohne weiteres jedes Wort ihres Gesprächs verstehen.
    »Gut, ich will es Ihnen sagen, auf die Gefahr hin, daß es nichts Neues für Sie ist. Meiner Meinung nach kann man Ihnen überhaupt nichts Neues erzählen! Also - vor einigen Jahren, als Bell in Paris studierte, gründete er zusammen mit ein paar anderen Studenten den ›Klub der Verbreche‹. Es war so eine Idee, wie sie querköpfige junge Leute manchmal haben. Jedes Klubmitglied legte das Gelübde ab, irgendwie das Gesetz zu übertreten, und zwar mußte es ein Vergehen sein, das bei Entdeckung mindestens eine Gefängnisstrafe eintrug.«
    »Sehr lustig! Und keiner ist aufgehängt worden?«
    »Natürlich nicht. Der Klub wurde rechtzeitig aufgelöst. Die Mitglieder hatten übrigens Decknamen angenommen, die in den Geheimakten des Klubs vermerkt waren. Ein einziges Delikt hätte ernstere Folgen haben können, aber

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