0074 - Die Geister-Braut
Geist.«
Stille. Alle hielten den Atem an.
Grimes, der Ghoul, hatte sich etwas zurückgezogen. Er stand jetzt in Nähe der Tür, und ich ließ den Kerl nicht aus den Augen.
»Dreh dich ruhig um, Harry«, sagte der Geist. »Du sollst mich anschauen. Du hast mich doch früher auch immer angeschaut. Bitte, jetzt komm.«
Erskine röchelte und schnaufte. Er schüttelte seinen Kopf, drehte sich aber um.
Susan trug ihr Hochzeitskleid, und sie hatte noch immer den Blumenkranz auf dem Kopf.
Wie vor fünfundzwanzig Jahren…
Aber jetzt hielt sie das Messer.
Harry Erskine stöhnte auf. »Was willst du?«
»Dich mitnehmen!«
Plötzlich drehte Erskine durch. »Nein!« brüllte er. »Nein und niemals. Geh weg geh weg, du…« Er schoß. Er jagte Kugel auf Kugel aus dem Lauf, doch die Geschosse schlugen durch den Körper, als wäre er gar nicht vorhanden. Sie pfiffen in den Flur, klatschten dort in die Wände, und das Krachen der Waffe hallte unnatürlich laut in unseren Ohren wider.
Dann griff der Geist der Susan Erskine an.
Die Hand mit dem Messer sauste nach unten. Ich hatte keine Möglichkeit einzugreifen.
Harry Erskine schrie auf. Und im nächsten Moment brach er blutüberströmt zusammen.
Verkrümmt blieb er auf dem Boden liegen, während Su auf ihn niederschaute und Peter McCurtin glaubte, den Verstand zu verlieren.
»Jetzt sind wir wieder vereint«, sagte Susan Erskine. »So wie du es immer haben wolltest!«
Sie lachte, und ihr Gelächter hallte von den kahlen Kellerwänden wider.
Dann löste sie sich auf.
Die weiße Erscheinung wurde noch matter, dann völlig durchsichtig und verweht. Nur noch ihr Lachen schallte durch den Keller, und ich hatte das Gefühl, als würde es über Tausende von Meilen an meine Ohren dringen.
Ein lästerlicher Fluch brachte mich wieder zurück in die Wirklichkeit. Der Ghoul hatte ihn ausgestoßen.
Verdammt, Grimes.
Ich wirbelte herum.
Gerade wollte er auf mich schießen.
Mit einem blitzschnellen Sprung brachte ich mich aus der Schußrichtung, die Kugel fauchte vorbei, dann aber war ich über ihm. Beim erstenmal schon packte ich sein Gelenk, schmetterte es gegen die Türkante, und die Waffe fiel zu Boden.
Hastig hob ich sie auf.
Grimes Tritt traf mich und fegte mich quer durch den Kellerraum. Ich fiel auch gegen Suko, so daß wertvolle Sekunden verlorengingen und Grimes die Flucht ergreifen konnte.
Sofort war ich wieder auf den Beinen.
»Ich hole ihn mir!« schrie ich. »Kümmere du dich um den Verletzten!«
Das war Suko gar nicht recht, aber darauf konnte ich jetzt keine Rücksicht nehmen.
Ich jagte hinter Grimes her.
Er war schon oben, als ich die ersten Stufen nahm. Hastig riß er die Haustür auf, und ich sah sofort, welch ein Wetter inzwischen dort draußen herrschte.
Dicke Nebelschwaden krochen in das Spukhaus.
Schon verschwamm die Gestalt des Ghouls im schmutzigen Grau der Nebelsuppe, aber ich blieb dem Dämon auf den Fersen.
Ich holte sogar auf.
Grimes war längst nicht so schnell wie ich.
Ich setzte einen Warnschuß neben seinen rechten Fuß, wo die Kugel die Erde aufriß.
Noch ein paar Schritte, dann hatte ich ihn.
Da hörte ich den Schrei!
***
Ich wußte sofort, wer ihn ausgestoßen hatte.
Jane Collins!
Und wenn sie schrie, dann nicht ohne Grund. Dann befand sie sich in Lebensgefahr.
Aber da war noch Grimes und der verdammte Nebel.
Wenn ich mich um Jane kümmerte, konnte der Ghoul in der grauweißen Suppe verschwinden.
Doch Jane war mir wichtiger.
Obwohl der Nebel alle Geräusche verzerrte und seltsam hohl klingen ließ, hatte ich dennoch das Gefühl, daß der Schrei links von mir aufgeklungen war.
Ich änderte die Richtung.
Grimes verschwand.
Wenn jetzt Suko bei mir gewesen wäre, hätte er sich den Ghoul schnappen können, doch der Chinese befand sich im Keller. Ich hatte den Fehler gemacht.
Aber plötzlich sah ich Suko. Er stand auf einmal neben mir, hatte es dort unten nicht ausgehalten.
»Wo ist er?«
Ich hob die Schultern. »Weg!« Ich deutete in die ungefähre Richtung, in der Grimes verschwunden war.
Suko verstand und rannte los.
Ich kümmerte mich um Jane.
Es blieb mir nichts anderes übrig, als loszulaufen. Dabei hoffte ich, irgendwann auf die Detektivin zu stoßen.
Nach wenigen Schritten schon sah ich dunklere Umrisse innerhalb der Nebelsuppe.
Ich lief weiter und erkannte meinen Bentley.
Wie kam er hierher?
Eine Antwort zu suchen, war müßig, denn ich sah die Beine des Untoten aus der offenen Fahrertür ragen, hörte
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