0081 - Der Sensenmann als Hochzeitsgast
Becker lächelte spitzbübisch. »Ich werde dir ausnahmsweise glauben, Will.«
»Du mußt mir glauben.«
Will Mallmann hatte sich wirklich verändert. Er, der sonst immer so ernst wirkte, war direkt euphorisch geworden. Seine dunklen Augen strahlten, und das Lächeln auf seinen Lippen zeugte von einer ungeahnten Vorfreude und Ehrlichkeit. Dieser Tag sollte der schönste in Wills Leben werden. Der Kommissar freute sich nicht nur auf seine Hochzeit, sondern auch auf die Gäste.
Alle hatten zugesagt. Daran merkte Will, daß er Freunde hatte. Echte Freunde.
Karin Becker ergriff die Initiative. »Wenn du mich noch lange so anschaust, werden wir zu spät zu unserer Trauung erscheinen, Will. Wir kommen zu spät«, bemerkte sie mit einem schnellen Blick auf die Uhr.
»Okay, okay, Frau Lehrerin, ich bin schon fertig. Wo steht dein Koffer?«
»In der Diele.«
Will verließ das Wohnzimmer, in dem besonders die vier hohen Boxen seiner Musikanlage auffielen. Für diese Anlage hatte Will ein kleines Vermögen ausgegeben, aber ein Hobby muß der Mensch haben, sagte er sich immer. Und Will hörte nun mal gern Musik. Von Verdi bis Frank Zappa reichte sein Geschmack. Hauptsache, der Musiker oder der Sänger ist gut.
Karin Becker teilte das Hobby. Sie ging vor allen Dingen gern ins Theater, und in letzter Zeit hatten die beiden gemeinsam einige Aufführungen gesehen. Vor allen Dingen Opern und Schauspiele. Wills silbergrauer Opel Manta GT/E parkte draußen. Schnelle Autos waren das zweite Hobby des Kommissars. Er hätte sich für sein Leben gern einen Porsche gekauft, aber dazu reichte leider sein Gehalt nicht aus.
Der Manta war auch schnell.
Die Sonne ließ den Lack glänzen. Will hatte den Wagen noch einen Tag vorher sorgfältig geputzt und eingewachst. Er öffnete die Kofferraumhaube und stellte das Gepäckstück hinein. Zwei weitere Koffer hatten auch noch Platz gefunden, eine Reisetasche stand auf dem Rücksitz.
Karin Becker trat aus der Haustür.
Will winkte ihr zu. »Steig ein«, rief er und öffnete Karin die Beifahrertür.
Die Lehrerin nahm Platz.
Will lächelte sie an. »Wenn wir in einigen Tagen wieder hier sind, wirst du Karin Mallmann heißen.«
Die Lehrerin schüttelte den Kopf. »Du bist wie ein Primaner, Will«, sagte sie.
»Darf ich mich nicht freuen?«
»Doch.«
Der Kommissar ließ den Motor an. Er warf noch einen Blick auf das Haus, bevor er fuhr. Lange würde er nicht mehr hier wohnen bleiben. Karin besaß einen zuteilungsreifen Bausparvertrag, und sie hatten vor, sich in den nächsten Tagen ein Häuschen anzuschauen.
Die Zukunft sah also gut aus.
Keiner von ihnen rechnete mit dem Schwarzen Tod, der bereits im Hintergrund lauerte…
***
»Wir wollen zu Land ausfahren, wohl über die Fluren weit…« Die acht- bis neunjährigen Schulkinder sangen das Lied mit Begeisterung, und ihre glockenklaren Stimmen erfüllten das Innere des Busses.
Die beiden Lehrerinnen lächelten. Sie freuten sich über die Fröhlichkeit der Kinder, und auch der Fahrer war zufrieden. Er fuhr lieber Schulkinder als Kegelbrüder.
Sie waren zu zehnt.
Acht Kinder und zwei Lehrerinnen. Für sie war es Ehrensache, Karin Becker auf die Hochzeit zu begleiten. Sogar schulfrei hatte es für diesen Tag gegeben.
Sie waren in Köln auf die Autobahn gefahren. Bereits sehr früh, es wurde gerade hell. Der kleine Bus kam gut durch, und nun befanden sie sich bereits hinter Frankfurt und fuhren in Richtung Karlsruhe.
Schnell war die Zeit vorübergegangen. Die Lehrerinnen hatten sich mit den Kindern beschäftigt.
Sie spielten mit ihnen oder sangen Volkslieder.
Die ältere Kollegin hieß Elfriede Kirst, während die jüngere den Namen Jutta Mehnert trug.
Jutta war nicht so streng wie ihre Kollegin und machte noch manchen Streich mit oder heckte ihn sogar selbst aus, während Frau Kirst mehr auf Disziplin achtete.
Jutta war ein modernes Mädchen. Als burschikoser Typ trug sie die Haare kurz und sah in ihren Jeans und dem weiten Pullover wie das Hippie-Mädchen von nebenan aus.
Ihre Kollegin kleidete sich strenger. Sie hatte das Haar zurückgekämmt und im Nacken zu einem Knoten gebunden. Die Augen wirkten durch die beiden Brillengläser doppelt so groß, und wenn Frau Kirst ihre Kinder anschaute, dann zogen die Kleinen die Köpfe ein.
Im Bus jedoch hatte sie gute Miene zum lustigen Spiel gemacht und kräftig mitgesungen.
Elfriede Kirst und Jutta Mehnert mochten sich nicht besonders.
Doch Jutta zeigte das nicht so sehr wie ihre
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