0091 - Satans Schloß
vorbei. Geistesgegenwärtig ließ sich Jane zu Boden fallen, rollte sich ab und kam hinter dem Diener wieder auf die Beine.
Jacques stürzte gegen das Bett, schnellte jedoch für sein Alter überraschend wendig zu Jane herum und schlug mit den ungleich großen Händen durch die Luft. Jane ging langsam rückwärts. Sie konnte in dem entstellten Gesicht nicht lesen. Aber die Augen dieses seltsamen Mannes erschienen ihr plötzlich nicht feindselig.
War alles vielleicht nur ein Mißverständnis? Aber wie war er in dieses verschlossene Zimmer gelangt? Er war nicht vor ihr dagewesen!
»Jacques«, sagte Jane und blieb stehen. »Jacques, was wollen Sie von mir?«
Die unzähligen Falten verzogen sich zu einem abstoßenden Grinsen. »Weggehen!« stieß er hervor. »Beide! Weggehen!«
Jane konnte ihn nichts mehr fragen, weil heftige Schläge an ihrer Tür ertönten.
»Miß Collins!« schrie der Comte. »Miß Collins! Machen Sie sofort auf! Ist etwas passiert?«
Bestürzt stellte Jane die Veränderung fest, die mit dem alten Diener vor sich ging. Grauen verzerrte sein Gesicht. Er stand wie gelähmt da.
»Moment!« rief sie und winkte Jacques zu, er solle sich hinter der Tür verstecken. Zitternd schlurfte der Alte in die tote Ecke. Jane schloß auf. »Ich bin nur über etwas erschrocken, Comte«, sagte sie zu dem Schloßherrn, der sie besorgt musterte. »Nicht weiter schlimm, ich…«
Comte de Brouillard betrat an ihr vorbei den Raum. »Ich hörte Ihre Schreie und dachte…!« Als er sich umdrehte, entdeckte er seinen Diener. Zorn flammte in seinen Augen auf. Er schrie Jacques in einer Sprache an, die Jane nicht verstand. Wie ein geprügelter Hund schlich der Diener aus dem Zimmer. »Verzeihen Sie, es wird nicht mehr vorkommen!« sagte der Comte mühsam beherrscht zu Jane und eilte Jacques nach.
Verwirrt blickte sie den beiden Männern hinterher. Sie wurde aus keinem von ihnen schlau. Und sie wünschte sich, ich wäre schon zurück!
Die Nacht senkte sich bereits auf Château Brouillard und schloß es noch mehr von der Außenwelt ab. Jane kam sich wie der Köder in einer Falle vor. Sie begann zu ahnen, daß es nichts mit dem Urlaub in Frankreich wurde, von dem sie geträumt hatte.
***
»Suko!« Ich beugte mich über meinen Freund und hatte Angst davor, was ich zu sehen bekommen würde. Er mußte sich mit dem Motorrad mehrmals überschlagen haben. »Suko!« Ich rüttelte ihn vorsichtig an der Schulter, doch er reagierte nicht.
Behutsam löste ich die Verschlüsse seines Helms und zog ihn über den Kopf herunter. Sukos Augen standen weit offen. Sie waren von Leben erfüllt und genau auf mich gerichtet.
Ich schaltete einen Moment zu spät, als ich den haßerfüllten Ausdruck in ihnen bemerkte. Ich hatte das schon einmal erlebt, als Suko in die Gewalt von Dämonen geraten war, die ihn gezwungen hatten, gegen mich zu kämpfen.
Er stand unter einem magischen Bann! Das hatte nichts mit seinem Unfall zu tun!
Im nächsten Augenblick schossen seine Fäuste wie Dampfhämmer hoch, trafen mich an der Brust und schleuderten mich zurück. Trotzdem war ich erleichtert. Ich hatte schon gefürchtet, er hätte sich das Genick gebrochen.
Suko schnellte wie eine Feder vom Boden hoch. Er setzte mir nach, doch ich ließ mich auf keinen Kampf ein. Wir waren nicht nur miteinander befreundet, sondern er griff mich auch nicht aus freien Stücken an.
Statt mich mit ihm zu schlagen, faßte ich blitzschnell unter mein Hemd und holte das an einer Silberkette hängende Kreuz hervor. Es war meine stärkste Waffe gegen das Böse, ein silbernes Kreuz, an dessen vier Endpunkten die Namen der Erzengel eingraviert waren.
In der hoch erhobenen Hand hielt ich Suko das Kreuz entgegen. Er prallte zurück, als wäre er gegen eine unsichtbare Mauer gerannt.
Gespannt wartete ich auf die Wirkung des Kreuzes. Er konnte mich nicht mehr angreifen, das stand schon fest. Ich wollte ihn aber nicht nur in die Flucht schlagen, sondern auch aus dem Bann lösen.
»Suko«, sagte ich leise. »He, Suko, komm zu dir!«
Er blinzelte plötzlich gegen das Licht meiner Scheinwerfer. Bisher hatte es ihn nicht gestört.
»Was ist denn?« murmelte er. »Wo sind wir hier?« Er schirmte die Augen mit der Hand ab. »Mein Motorrad!«
Mit diesem Schrei sprang er zu seiner Harley, und ich ließ erleichtert das Kreuz wieder sinken. Suko hatte soeben eindeutig bewiesen, daß er wieder er selbst war.
»Wieso ist das passiert, John?« rief er, wandte sich zu mir um und stutzte.
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