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01 - Botschaft aus Stein

01 - Botschaft aus Stein

Titel: 01 - Botschaft aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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Aber sie bewirkten nichts und ergaben keinen erkennbaren Sinn.
    »Wenn es möglich wäre, die Digitalbilder maßstabsgetreu auf die Wand zu projizieren…«, überlegte Tom.
    »Wer hat schon einen Beamer im Gepäck?«, fragte Branson.
    »Sie?«
    »Leider nein. Auch keinen Projektionstisch, keine Vorsatzlinsen, um die Winkelverzerrung ausgleichen…«
    »Schon gut, ich habe verstanden«, sagte Ericson. »Es geht auch anders.« Er nahm sein Satellitentelefon zur Hand und schoss von einem der Logogramme ein Foto, das er dann zu seinem Tablet-Computer übertrug.
    »Ist an diesem Zeichen etwas Besonderes?«, fragte Branson. Ratlos sah er Toms Treiben zu.
    Ericson schüttelte den Kopf. »Ich hab's ausgewählt, weil es eine klare, übersichtliche Struktur hat. Wenn dabei rauskommt, was ich mir erhoffe, machen wir weiter.«
    Nun galt es, das Zeichen mit dem Digitalbild der Stele zu vergleichen. Tom lud beide Aufnahmen in ein Grafikprogramm, glich den Maßstab an und machte das Wandmotiv halb transparent.
    »Es gibt Unterschiede in der Darstellung!«, erkannte Branson.
    »Und genau darin verbirgt sich der Code«, verkündete Tom Ericson. »Ich wette, dass einige der unbekannten Symbole nicht die geringste Bedeutung haben. Sie transportieren nur die eigentliche Nachricht!«
    Branson nickte anerkennend. »Mein Respekt, wenn es wirklich so sein sollte.«
    »Es ist so!« Ericson wies auf das Display. »Setzen Sie die Teilbilder zusammen, Seymor, dann können Sie es lesen!«
    Zwei, vielleicht drei Sekunden vergingen.
    »Verdammt!«, war alles, was der Grabungsleiter hervorbrachte.
    ***
    Sie kamen gut voran. Obwohl die Zeichen alles andere als einheitlich waren, ergaben sie doch Sinn. Es handelte sich um ideografische und phonetische Symbole, ergänzt durch Bild- und Aussprachezeichen. Dazu die üblichen Zahlenangaben im Zwanzigersystem der Maya, die auf der Basis von Punkten und Strichen dargestellt wurden. Außerdem Logogramme und Hieroglyphen.
    »Das ist eine Wanderung durch die Entwicklung der Maya-Schrift«, stellte Tom fest, als er das letzte Bild auf das Display zog. »Jemand hat sehr viel Aufwand betrieben, um einen Querschnitt durch die Geschichte seines Volkes zu präsentieren. Ich frage mich, was damit bezweckt wurde, und vor allem, was wir letztlich vorfinden werden.«
    »Vielleicht das Ewige Leben ‒ Anfang und Ende.«
    Ericson sah vom Bildschirm auf. Nachdenklich musterte er den Ausgrabungsleiter. »Das meinen Sie nicht ernst, Seymor, oder doch?«
    »Ich denke, niemand hätte etwas gegen einen solchen Fund einzuwenden.«
    »Ich denke, man müsste einen solchen Fund geheimhalten«, widersprach Tom. Sein Blick schien plötzlich in weite Ferne zu gehen. »Wenn niemand mehr stirbt, wären die Folgen für die Menschheit katastrophal.«
    Das vorletzte Logogram nahm Gestalt an. Sie sahen die Glyphe eines Gottes vor sich. Während Tom noch zu erkennen versuchte, um welchen es sich handelte, sagte der Professor bereits: »Huracán, einer der beiden Schöpfungsgötter! Seine Erscheinung ist der Blitz.«
    Ericson nickte zögernd. Er kannte die Schöpfungslegende, die im Popol Vuh beschrieben wurde. »Aber wie hilft uns das weiter?«
    »Das letzte Symbol, schnell!«, drängte Branson aufgeregt. »Wenn es Gucumátz darstellt, habe ich eine Idee!«
    Tom suchte nach dem richtigen Detailfoto der Stele und legte das Wandzeichen darüber. Dabei rekapitulierte er, was er von dem Mythos wusste.
    Nach dem Glauben der Maya gab es anfangs nur eine dunkle Leere, die nichts enthielt als den Himmel und das Urmeer.
    Zwei Götter taten sich zusammen: Huracán vom Himmel und Gucumátz, der Meeresgott, der auch Federschlange genannt wurde. Sie gestalteten die Erde mit ihren Bergen, mit Pflanzen und Tieren. Aber sie waren enttäuscht, dass die Tiere keine Sprache beherrschten. Deshalb schufen sie die Menschen aus Erde und Schlamm, doch sie waren zu weich und brachen auseinander. Also schnitzten Huracán und Gucumátz aus dem Holz des Korallenbaums neue Figuren. Diese Menschen konnten zwar sprechen, aber ihr Verstand war leer und ihre Herzen gefühllos. Auch diese Schöpfung vernichteten sie wieder. Und erst als sie für den dritten Versuch Mais verwendeten, der zu Mehl zerrieben und mit ihrem eigenen Blut vermischt wurde, gelang das Werk.
    »Gucumátz!«, stellte Branson fest, als das letzte Rätsel aufgelöst war. »Ich hatte recht! Jetzt passen Sie auf, Tom!« Er ging zur Wand und stemmte sich gegen das Zeichen, das »Erde« symbolisierte.

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