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01 - Botschaft aus Stein

01 - Botschaft aus Stein

Titel: 01 - Botschaft aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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Seymor?« Ericson wartete gar nicht ab, bis sein Gegenüber antwortete. »Die Lücke hat eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Umriss der Stele«, gab er selbst zur Antwort.
    »Es gibt Tausende solcher Steinsäulen«, sagte Branson heftig.
    »Vielleicht markiert die Wand ihren Fundort.«
    »Eine Insel? Sieht die Linienführung aus wie die Insel? Wo genau auf den Marquesas waren Sie, Tom?«
    Ericson lächelte. Er schüttelte leicht den Kopf. »Ein kleines Geheimnis werden Sie mir doch gönnen, Seymor. Aber die Wand sieht nicht aus, als würde sie jene Insel abbilden. Vielleicht…« Er zog das Satellitentelefon aus einer seiner Oberschenkeltaschen.
    »Wen wollen Sie anrufen?«, fragte Branson hastig.
    »Meine Schnappschüsse haben sich bewährt. Ich mache mehrere Aufnahmen aus unterschiedlichen Perspektiven. Mit ein paar Stunden Recherche im Internet sollte sich herausfinden lassen, was die Karte tatsächlich darstellt. Es ist eine Landkarte, da bin ich mir sicher.«
    »Wenn Sie meinen, Tom… Ich glaube nicht, dass Sie auf diese Weise weiterkommen werden.«
    »Was haben Sie sich von diesem Raum versprochen, Seymor?«
    »Gar nichts.«
    Ericson lachte trocken. »Das glaube ich nicht. Erwartungen und eine gehörige Portion Fantasie sind die Triebfeder in unserem Beruf.« Er wich bis zur gegenüberliegenden Wand zurück und fotografierte, erst nur im Licht der Handscheinwerfer, danach schaltete er den Blitz zu. »Also?«
    Seymor Branson ging nicht auf Toms Worte ein. Er betrachtete nur skeptisch das Telefon. »Auf diese Entfernung können Sie das Objekt nicht vernünftig ausleuchten«, sagte er. »Ich habe eine Spiegelreflex mit einem hochwertigen Blitzlicht draußen. Sobald ich damit zurück bin, reden wir weiter.«
    Tom schaute Branson nur kurz hinterher, dann trat er bis in den Durchgang zurück und versuchte möglichst viel von dem Wandmotiv aufzunehmen. Er fotografierte auch die beiden Wandbilder, die Branson so fasziniert betrachtet hatte, je zweimal. Auswerten würde er sie später. Das kleine Objektiv, so praktisch es sein mochte, war in der Tat nicht ideal für den dunklen Raum. Mit Blitz waren die Bilder dennoch einigermaßen brauchbar.
    Tom probierte mehrere Perspektiven. Es bedurfte ein wenig Fantasie, um im Zusammenspiel zwischen Stele und Wand eine üppige Mischung aus Gravur und Schattenführung zu erkennen. Sobald er etwas Zeit dafür fand, würde er sich mit diesen Mustern und den Fotos der Stele gleichzeitig befassen.
    ***
    Seymor Branson fühlte sich nicht gut. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn und im Nacken hatte er ein taubes Gefühl. Er zitterte. Auf seinem Schädel lastete ein dumpfer Schmerz, als hätte sich ein schweres Gewicht auf ihn herabgesenkt.
    Das war so, seit er die Kammer betreten hatte.
    Genauer: seitdem er in den letzten Wandbildern bestätigt sah, was er schon länger befürchtet hatte.
    Die Wahrheit, die er bislang immer geleugnet hatte, steckte ihm in den Knochen. Ihm war übel.
    Für einen Moment lehnte sich der Professor an die nächste Wand, drückte das Gesicht an den kühlen Stein, fand aber keine Linderung. Seine Empfindungen wurden mehr und mehr chaotisch.
    Die Karte, nach der er lange gesucht hatte, lag offen vor ihm. Schon auf den ersten Blick hatte er erkannt, was sie darstellte.
    Das war der Moment seines Triumphs.
    Und zugleich seiner größten Niederlage.
    Tom Ericsons Kombinationsgabe hatte es nicht nur ermöglicht, den verborgenen Zugang zu öffnen ‒ auch die entsprechenden Passagen an der Wand ergaben nun einen Sinn.
    Einen Sinn, der alles in Branson rebellieren ließ.
    Er stieß sich ab und hastete weiter. Auch wenn es ihm schwerfiel, er musste einen klaren Kopf bewahren. Seitdem er die Wahrheit ahnte, hatte er immer wieder daran gedacht, seinen Auftraggeber zu hintergehen und unterzutauchen. Aber dann hätte ein anderer für ihn weitergemacht. Auf keinen Fall durfte die Karte in die falschen Hände fallen!
    Er zweifelte nicht mehr daran: Was immer sich in der Kammer befand, es würde den Weltuntergang heraufbeschwören. Das Ende der Fünften Sonne.
    Branson erreichte den großen Raum, in dem die Ausrüstung lagerte. Für einen Moment hielt er inne und vergrub das Gesicht in den Händen. Er wusste nicht, was er tun sollte, konnte kaum noch einen klaren Gedanken fassen. Daran war sicher auch dieses Teufelszeug schuld, das er nicht wollte, das er aber brauchte, um überhaupt die Kraft aufzubringen, weiterzumachen.
    Cenobio! Er musste Cenobio

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