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01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend

01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend

Titel: 01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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ist allgemein bekannt, daß Zitronen gelb sind und Gelb eine Farbe ist. Benutze also in Zukunft nicht drei Wörter, wo es eins auch tut. Abgemacht?«
    Das saß, aber eine Woche später bekam ich meine Revanche.
    »Nun, Fry? Für dich eine besonders leichte Frage. Was bedeutet Titration?«
    »Ah, Sir ... das ist ein Prozeß, bei dem ...«
    »Also bitte. Entweder du weißt es, oder du weißt es nicht.«
    »Entschuldigen Sie, Sir, ich will keinen Pleonasmus gebrauchen, aber ich denke ...«
    »Du willst was nicht gebrauchen?«
    »Keinen Pleonasmus, Sir.«
    »Und was soll das bitte schön sein?«
    »Tut mir leid, Sir. Das soll heißen, daß ich mich nicht der Redundanz schuldig machen möchte.«
    »Wie?«
    »Der Redundanz, Sir.«
    »Wovon redest du überhaupt?«
    Ich ließ in meine Stimme eine Spur von Verwirrung und Bestürzung einfließen. »Ich wollte nur nicht redundant werden, Sir. Ich meine, irgendwie pleonastisch.«
    »Hör zu. Wenn du etwas zu sagen hast, sag es. Was soll dieser ganze Pleonasmus-Quatsch?«
    »Es bedeutet, Sir, mehr Wörter als nötig in einem Satz zu benutzen. Ich wollte auf keinen Fall tautologisch, repetetiv oder geschwollen reden.«
    »Na, und warum sagst du das nicht gleich?«
    »Entschuldigen Sie, Sir. Ich werd’s mir merken, Sir.« Ich stand auf und drehte mich zur Klasse um, die Hand auf mein Herz gedrückt. »Ich gelobe aufrichtig, Sir, in Zukunft mit sieben Wörtern zu beglücken, wo es eins auch tut. Ich gelobe aufrichtig, so pleonastisch, langatmig und redundant zu reden, wie er es sich nur wünschen kann.«
    Es spricht nachhaltig für die große Herzensgüte des Mannes, daß er nicht an Ort und Stelle ein Messer zückte, mir von Ohr zu Ohr die Kehle aufschlitzte und mit Nagelboots auf mir herumsprang. Der Blick, mit dem er mich ansah, deutete darauf hin, daß er verdammt nahe dran war, es in Erwägung zu ziehen.
    Mein Gott , was konnte ich für ein aufgeblasener kleiner Wichser sein. Später legte ich der Figur Adrian in meinem Roman Der Lügner einige der Sätze in den Mund, mit denen ich meinen Lehrern den letzten Nerv raubte.
    »Zu spät, Fry?«
    »Tatsächlich, Sir? Ich auch.«
    »Spiel hier nicht den Schlaumeier, Bursche.«
    »Verstanden, Sir. Wie dämlich möchten Sie mich denn? Sehr dämlich oder nur ziemlich dämlich?«
    Heute bedaure ich, ein so ätzendes Ekelpaket gewesen zu sein, aber nie werde ich die Stunden bedauern, in denen ich allein oder mit Richard Fawcett im Wörterbuch stöberte oder eine Comedy-Platte nach der anderen auflegte.
    Ob wir nun allein die Summe von Einflüssen sind oder aber die Summe von Einflüssen zuzüglich der Summe unserer Gene, sicher ist, daß meine Art, mich auszudrücken, bestimmte Wörter zu benutzen, mein Ton, mein Stil, ja meine Sprache überhaupt ein gewachsenes Gebilde ist, das ohne meine Begegnung mit Vivian Stanshall, P. G. Wodehouse oder Conan Doyle gewiß vollkommen anders aussähe. Später mögen Sprachrhythmen, Tropen, Vorzüge, Manierismen und rhetorische Tricks anderer Autoren wie Dickens, Wilde, Firbank, Waugh und Benson in das Gemisch mit eingeflossen sein, aber die drei Erstgenannten hatten viel damit zu tun, wie ich damals redete und folglich auch dachte. Nicht damit, wie ich fühlte , sondern wie ich dachte, wenn ich denn je unabhängig von Sprache gedacht haben sollte.
    Ich habe mich deshalb so ausführlich über die Bonzos und Comedy ausgelassen, weil ich umgehend auf mein zweites Jahr in Uppingham zu sprechen komme und auf keinen Fall den Eindruck eines einsamen Mondkalbs Fry erwecken will, dessen ganzes Wesen um die Liebe und die verzehrenden Qualen seiner einsamen Pubeszenz kreiste. Es gab eine Welt drumherum: Es gab ein Haus mit fünfzig Jungen, die alle ein eigenes Leben führten und alle mit der Außenwelt und ihren neuesten Marotten und Spleens in Kontakt standen.
    Im ersten Jahr war Fawcett mein Freund, später dann Jo Wood, mit dem ich im zweiten Jahr ein Zimmer teilte. Jo Wood war ein Junge aus echtem Schrot und Korn. Er war kräftig, spöttisch, lachte gern und konnte gelegentlich auch andere zum Lachen bringen, war dabei aber offenbar nicht sonderlichaufgeweckt und besaß im Gegensatz zu Richard Fawcett kein großes Interesse an Wörtern, Ideen und der Welt.
    Eines Tages überraschte er mich mit der Ankündigung:
    »Jetzt hab ich’s. Es ist das Lesen, stimmt’s?«
    »Wie?«
    »Du liest doch viel, oder? Daher hast du das alles. Durchs Lesen. Klar doch, Lesen.«
    Als ich ihn das nächste Mal sah, schmökerte

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