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01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend

01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend

Titel: 01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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er in einem Hermann-Hesse-Roman. Danach sah ich ihn nie wieder ohne ein Buch. Und als ich Jahre später erfuhr, daß man ihn in Cambridge angenommen hatte, dachte ich nur, klar doch, kein Wunder. Er hatte eben eines Tages beschlossen zu lesen. Von Jo Wood lernte ich eine Menge über den menschlichen Willen. Vor allem aber war er ein guter, geduldiger Freund, der einiges auszuhalten hatte, als er im zweiten Jahr das Zimmer mit einem Jungen teilte, dessen Leben über Nacht in tausend Teile explodiert war.
    Das einzig wirklich Nervige im ersten Jahr war, einmal abgesehen von den überflüssigen Querelen mit den Lehrern, der Sportunterricht. Leibeserziehung. Körperliche Ertüchtigung.
    Bei den Bonzos gibt es die tolle Nummer »Sport«, die von einem empfindsamen Schuljungen handelt (treffenderweise Stephen genannt), der lieber mit einem Taschenbuch von Mallarmé (noch ein Stephen) im hohen Gras liegt, während die anderen Fußball spielen. Der bitterböse Refrain lautet:
    Sport, Sport, o männlicher Sport
    Schule für Körper und Geist!
    Sport bringt die rechten Männer hervor
    Ein Querkopf, der auf Sport scheißt!
    Ich mußte über diesen Song lachen, insgeheim aber auch weinen. Ich haßte Sport, Leibeserziehung, körperliche Ertüchtigung, wie immer man es auch nannte. Und in Uppingham war es ein verficktes Stück härter, am Sport vorbeizukommen,als an der Prep School. »Ein verficktes Stück« war die Art von Sprache, die man in Uppingham außer Hörweite der Lehrer überall benutzte. Die Sprache war einer der ersten Unterschiede, der mir beim Übergang von Stouts Hill nach Uppingham auffiel, nicht anders, als sich für Robert Graves in Goodbye to All That bei seinem Wechsel von Charterhouse zu den Royal Welsh Füsiliers eine ganz neue Welt des Fluchens auftat. Aus dem Umfeld von »verdammter Mist« und einem gelegentlichen »Scheißdreck« war ich in eine Gesellschaft geraten, in der jedes zweite Wort »Fuck«, »Wichser«, »Pottsau«, »Fotze« und »Scheiße« lautete. Zu behaupten, es hätte mich schockiert, wäre übertrieben, aber leicht eingeschüchtert war ich schon. Fluchen war ein weiterer Schritt zur Männlichkeit und Teil der natürlichen Entwicklung. Die neugewonnene Freiheit von Zimmerflohmärkten, Kantinenbesuchen und Einkaufstouren ließ ich mir gefallen, aber alles, was irgendwie mit Männlichkeit zu tun hatte, machte mir angst. Und nichts war so männlich wie Sport.
    Sport war in Uppingham alles . Wer im A-Kader der Rugby-Mannschaft spielte, gehörte zu den absoluten Stars. Allein für sein Haus, geschweige denn für die ganze Schule bei einem Wettkampf anzutreten, vermittelte einem ein Gefühl von Selbstbestätigung, eine Art spielerischer Überlegenheit, die durch kein noch so zähes Ringen mit unregelmäßigen Verben in Frage gestellt wurde. Aller Unterrichtsstoff war ohnehin läppisch, und ein schlechter Schüler zu sein bedeutete längst keine Schande.
    Sport stand jeden Tag auf dem Stundenplan, außer freitags. Doch auch das war kein Grund zur Freude, weil freitags für alle Corpstag war, wo wir als Teil der schulischen Combined Cadet Force in Kampfanzügen aus dem Zweiten Weltkrieg Exerzieren übten. Ich war bloß ein verdammter Armee-Infanterist, während mein Bruder sich clevererweise zur Air Force gemeldet hatte. Mein Auftreten als Soldat war wohl in etwa so überzeugend wie ein als Gänseblümchen verkleideter MikeTyson, wenn ich mit schmutzigweißem Koppel, klobigen Militärboots und einem viel zu kleinen Barett, das sich nie vernünftig knicken ließ und mich eher nach einem französischen Zwiebelhändler aussehen ließ, über den Platz schlurfte, mich unter meinem kratzenden Khaki-Hemd windend und mit einer klappernden Lee-Enfield-Rifle über der Schulter verzweifelt versuchend, nicht aus dem Tritt zu geraten, während der Schulfeldwebel, RSM »Nobby« Clarke, mir ins Ohr brüllte.
    Aber man hätte mir hinten eine Ananas reinschieben können, mich als Schwanzlutscher beschimpfen können, mich mit Ketten verprügeln und jeden Tag in Uniform auf und ab marschieren lassen können, und ich hätte mich mit Tränen in den Augen bedankt, wenn mir dadurch der Sport erspart geblieben wäre. Nichts auf der Welt war mir mehr verhaßt als Sport.
    Groteske »Jüngere gegen Ältere«-Matches, bei denen die unter sechzehn gegen die über sechzehn antraten, standen ebenso auf der Tagesordnung wie Wettkämpfe gegen andere Schulen, bei denen man anwesend sein und die eigene Mannschaft anfeuern mußte.

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