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01 Jesses Maria: Kulturschock

01 Jesses Maria: Kulturschock

Titel: 01 Jesses Maria: Kulturschock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Berling
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die jungen Menschen schön zu wissen, wie man fünfzig Jahre lang eine Ehe aufrecht erhält.“ Das kann die nicht ernst meinen, oder? Sie sieht so aus, als würde sie gerne gehen.
    „Das kann ich Ihnen sagen, wie man eine Ehe aufrecht hält“, sagt Onkel Kurt. „Man läuft nicht, so wie heutzutage, bei jedem Streit auseinander! Wir haben noch Treue und Pflichtbewusstsein gelernt und wenn man heiratet, sagt der Pastor: Bis dass der Tod euch scheidet. So was hat für Leute wie uns noch Gültigkeit.“ Die Frau von der Zeitung hakt ein: „In welcher Kirche haben Sie geheiratet?“
    Onkel Kurt sagt: „Im Nachbardorf. Meine Frau kommt ja vom Bauernhof. Da ist es Sitte, dass man auf dem Hof auch feiert. Die hatten ja auch keine Not nach dem Krieg. Als mich damals der Russe gefangen genommen hatte ...“ „Vatter!“, unterbricht ihn Tante Grete.
    „Erinnern Sie sich noch an das Hochzeitsessen?“, fragt die Frau. „Wir hatten ein Schwein geschlachtet“, sagt Tante Grete. „War es eine schöne Feier? Sind Sie in Weiß gegangen?“ Tante Grete lächelt zum ersten Mal. „Meine Mutter hatte mir ein gebrauchtes Kleid von der Tante umgearbeitet. Tag und Nacht hat sie daran gesessen. Und ich hatte einen langen Schleier.“
    „Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Hochzeit,Herr Sauer?“ Onkel Kurt schlägt sich aufs Knie und sagt: „Tja, wir haben uns ordentlich einen genommen, die Bauern haben damals ja alle schwarz gebrannt, wissen Sie.“
    „Besoffen wie ein Stier warst du!“, zischt Tante Grete und fügt hinzu: „Und nicht nur am Tag der Hochzeit!“ Nun ist es wieder mucksmäuschenstill, nur die Uhr tickt. Tante Grete sagt böse: „Das schreiben Sie aber nicht! Das geht die Leute nichts an, was Sie hier hören. Ich hab ja gleich gesagt ...“ Die Frau von Zeitung wird ärgerlich: „Wissen Sie, ich mache hier meinen Job, ich bin nicht freiwillig hier. Wenn Sie sich nicht einig sind, machen wir eine Meldung in der Rubrik »Jubilare« und mehr nicht.“ Recht hat sie.
    Onkel Kurt beschwichtigt: „Mutter, nun schenk der Frau und Maria noch Kaffee ein, wo hast du wieder deine Gedanken.“ Der Kaffee ist nur noch warm. An der Tülle der Kanne ist ein Schaumgummi-Schmetterling als Tropfenfänger mit einem Band befestigt. So was habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Die Frau von der Zeitung macht weiter: „Wie werden Sie Ihre goldene Hochzeit feiern?“ „Gar nicht“, sagt Tante Grete und Onkel Kurt ruft gleichzeitig: „Im Dorfkrug“. Tante Grete keift: „Darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen! Ich sehe nicht ein, den Leuten Essen und Trinken zu spendieren, damit sie sich später das Maul zerreißen können. Dem passt dann das Essen nicht, der hat nicht genug gepichelt, irgendeiner hat doch immer was zu lästern, davon will ich nichts wissen.“ Da hat sie Recht. „Natürlich wird gefeiert“, sagt Onkel Kurt.„Das gehört sich so! Was sollen die Leute denken, wenn wir nicht feiern. Sieht ja so aus, als könnten wir uns das nicht leisten. Wenn es in der Zeitung steht und wir haben keinen eingeladen, dann werden sie sich das Maul zerreißen.“ Jetzt hat er Recht.
    „Ich hab ja gleich gesagt, es soll nicht in die Zeitung. Das braucht überhaupt keiner zu wissen.“ Die Frau von der Zeitung steht auf und sagt: „Ich glaube, Sie haben Recht. Ihre Geschichte sollte nicht in die Zeitung. Ich danke Ihnen für das Gespräch. Wir werden, wenn Sie einverstanden sind, nur die kurze Meldung in der Rubrik „Jubilare“ bringen.“ Tante Grete nickt. Wenn ich ehrlich bin, denke ich, dass diese Meldung auch nicht in die Rubrik „Jubilare“ gehört. Die Frau von der Zeitung sollte sie lieber unter der Rubrik „Herzliches Beileid“ veröffentlichen. Bin ich froh, dass ich Manni rechtzeitig losgeworden bin.

Musical
    Nächste Woche gehe ich mit Tamara ins Musical. „We will rock you“ läuft nur noch bis September und Tamara hat Karten.
    Ich bin nicht so für diese Art von Musik, das muss ich zugeben. Das ist keine richtige Musical-Musik, so wie beim „Phantom der Oper“. Da war ich mal drin! Das ist eine Geschichte…
    Meine Freundin Susanne hatte mich eingeladen. Manni passte auf die Kinder auf. Recht war ihm das nicht, aber was sollte er machen. Die Karten waren ja bezahlt. Susanne und ich sind mittags weggefahren und kamen drei Stunden später in Hamburg an. Ich hatte mich toll in Schale geworfen: Schwarze Steghose und schwarze Stulpenstiefel ohne Absatz. Die Stiefel waren aus weichem

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