01 - komplett
Minuten lang rührte er sich nicht. Seit einer halben Ewigkeit hatte er sich nicht mehr so geborgen gefühlt.
Irgendwann öffnete er die Augen, sah Claras entspanntes Gesicht, ihren roten Mund, der zum Küssen einlud. Also küsste er sie. So sanft und liebevoll, wie er noch niemals eine Frau geküsste hatte.
Ihre Augen verrieten ihm, dass sie innerlich lächelte. „Du solltest dich rasieren“, meinte sie und fuhr leicht mit den Fingerspitzen über seine Bartstoppeln.
Eine völlig verrückte Freude darüber, dass sie ihn duzte, überkam ihn. „Waschen sollte ich mich wohl auch“, murmelte er. „Ich erinnere mich, dass du dich schon in der Nacht über meinen Geruch beschwert hast.“
„Du bist ein Schatz.“ Sie rieb ihre samtene Wange an seiner rauen. „Ich liebe dich, Sebastian.“
Er lauschte auf ihre warme Stimme und genoss jedes Wort, das sie sagte. Er war glücklich. Sein Körper fühlte sich leicht an, so als sei er nach einer unendlich langen Zeit plötzlich von einem großen Schmerz und einer schweren Last befreit worden.
Nur seine Augenlider waren schwer. Er war so müde ... Er wollte wach bleiben, aber nach kurzer Zeit vermochte er sich nicht länger gegen die zunehmende Schläfrigkeit zu wehren. Mit einem zufriedenen Seufzen schlummerte er ein.
Clara blieb wach. Sie hatte sich auf dem Bett neben Sebastian ausgestreckt und betrachtete ihn. Um ihre Lippen spielte ein Lächeln. Er roch noch immer nach Alkohol, und er sah mitgenommen aus. Trotzdem hatten sein zerzaustes Haar und sein von Bartstoppeln bedecktes Gesicht etwas ungeheuer Anziehendes. Durch den dünnen Stoff seines Hemdes – Rock und Weste hatte Dawson ihm ausgezogen –
konnte sie deutlich seine muskulösen Oberarme, die breiten Schultern und den kräftigen Brustkorb sehen.
Himmel, dachte sie, wenn er in diesem Zustand schon so attraktiv ist, dann muss er nackt einfach unwiderstehlich sein!
Vielleicht bot sich ja nun endlich die Chance, es herausfinden. Sie war bereit, für ihre Liebe zu kämpfen. Schade nur, dass sie so lange gebraucht hatte, um einzusehen, wie wenig hilfreich es war, Sebastian die Entscheidung über ihr Glück zu überlassen.
Sie rückte noch ein bisschen näher an ihn heran und schmiegte sich an seinen warmen Körper. Wie muskulös und männlich er sich anfühlte! Zögernd strich sie mit der Hand über seine Brust. Er murmelte etwas Unverständliches und zog sie, ohne aufzuwachen, fester an sich. Clara bemerkte, dass der Alkoholgeruch einen angenehmen Duft nach Leder, Tabak und Limone überlagert hatte. Sie drückte die Nase an Sebastians Hals und atmete tief ein. Die Körperwärme und der Duft des Geliebten gaben ihr das Gefühl, alles wagen zu können. Da war es wohl ganz gut, dass er so fest schlief. Sonst wäre sie womöglich leichtsinnig geworden.
Ihre Haut begann zu kribbeln. Ein Gefühl, an das sie sich erinnerte. Sie hatte es zum ersten Mal erlebt, als Sebastian sie so hingebungsvoll geküsste hatte, als seine Zunge und seine Lippen ihre Brust liebkosten. Noch einmal atmete sie tief ein. Eine Flamme der Lust loderte in ihr auf. Eine Woge der Begierde überlief sie.
Dann öffnete Sebastian die Augen.
Clara war, als würde sie in diesem Blau versinken. Er blickte ein wenig verschlafen.
Doch plötzlich – sie konnte es genau erkennen – erwachte auch in ihm das Verlangen. Er rollte sich herum, sodass er halb auf ihr lag und sie mit seinem Gewicht in die Matratze drückte.
Ein Klopfen zerriss die Stille. An der Vordertür verlangte jemand lauthals Einlass, jemand, der sehr ungeduldig war. Die Tür wurde geöffnet. Erregte Stimmen waren zu hören.
Sebastian lag wie erstarrt. Dann fuhr er zusammen, stöhnte laut auf und schwang sich aus dem Bett. „Wer, zum Teufel, kommt auf die Idee, um diese Zeit einen Besuch zu machen?“
Clara warf einen Blick auf die Uhr, die auf dem Kaminsims stand und leise tickte. „Du hast fast zehn Stunden geschlafen. Es ist schon Nachmittag.“
„Nachmittag?“ Er streckte sich.
Clara starrte ihn an. Sie konnte nichts dagegen tun. Er sah umwerfend aus! Die eng sitzende Wildlederhose und das weiße, inzwischen stark zerknitterte Hemd verrieten so viel über seinen muskulösen männlichen Körper.
„Möchtest du nicht anderswohin schauen, Clara?“, fragte er leicht amüsiert.
„Nein“, gab sie zurück. „Was ich sehe, gefällt mir.“
„Frechdachs!“
„Hm ... Wenn ich nicht so lange hätte warten müssen, um dich ...“
Das Blau seiner Augen veränderte
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