01 - Winnetou I
hier vorübergehen soll?“
„Ja.“
„So habt ihr das Gebiet gekauft?“
Sein Auge war während dieser Fragen stechend und sein Gesicht ernster geworden. Er schien Grund zu diesen Erkundigungen zu haben; darum antwortete ich:
„Ich bin beauftragt, mich an den Vermessungen zu beteiligen, und dies tue ich, ohne mich um das übrige zu bekümmern.“
„Hm, ja! Denke aber, Ihr wißt trotzdem sehr wohl, woran Ihr seid. Der Boden, auf welchem Ihr Euch befindet, gehört den Indianern, und zwar den Apachen vom Stamme der Mescaleros. Ich kann ganz bestimmt behaupten, daß sie dieses Land weder verkauft noch sonst in irgendeiner Weise an irgend jemand abgetreten haben.“
„Was geht das Euch an!“ rief ihm da Rattler zu. „Bekümmert Euch nicht um fremde Angelegenheiten, sondern um die Eurigen.“
„Das tue ich auch, Sir, das tue ich, denn ich bin ein Apache, sogar ein Mescalero.“
„Ihr? Laßt Euch nicht auslachen! Man müßte ja blind sein, um Euch nicht anzusehen, daß Ihr ein Weißer seid.“
„Ihr irrt Euch doch! Ihr dürft Euch nicht nach meiner Haut, sondern nach meinem Namen richten. Ich werde Klekih-petra genannt.“
Dieser Name bedeutet in der Sprache der Apachen, deren Dialekt ich damals noch nicht kannte, so viel wie weißer Vater. Rattler schien diesen Namen schon gehört zu haben, denn er trat in ironischer Verwunderung einen Schritt zurück und sagte:
„Ah, Klekih-petra, der berühmte Schulmeister der Apachen! Schade, daß Ihr buckelig seid; es muß Euch da außerordentlich schwer werden, von den roten Bengels nicht ausgelacht zu werden.“
„Oh, das tut nichts, Sir. Ich bin es gewohnt, von Bengels verlacht zu werden, denn vernünftige Leute tun das nicht. Und nun ich weiß, was Ihr seid und was Ihr hier treibt, kann ich Euch auch sagen, wer meine Begleiter sind. Es wird am besten sein, ich zeige sie Euch.“
Er rief ein Indianerwort, welches ich nicht verstand, in den Wald zurück, worauf zwei außerordentlich interessante Gestalten erschienen und langsam und würdevoll auf uns zukamen. Es waren Indianer, und zwar Vater und Sohn, wie man gleich auf den ersten Blick erkennen mußte.
Der Ältere war von etwas mehr als mittlerer Gestalt, dabei sehr kräftig gebaut; seine Haltung zeigte etwas wirklich Edles, und aus seinen Bewegungen konnte man auf große körperliche Gewandtheit schließen. Sein ernstes Gesicht war ein echt indianisches, doch nicht so scharf und eckig, wie es bei den meisten Roten ist. Sein Auge besaß einen ruhigen, beinahe milden Ausdruck, den Ausdruck einer stillen inneren Sammlung, die ihn seinen gewöhnlichen Stammesgenossen gegenüber überlegen machen mußte. Sein Kopf war unbedeckt; das dunkle Haar hatte er in einen helmartigen Schopf aufgebunden, in welchem eine Adlerfeder, das Zeichen der Häuptlingswürde, steckte. Der Anzug bestand aus Mokassins, ausgefransten Leggins und einem ledernen Jagdrock, dies alles sehr einfach und dauerhaft gefertigt. Im Gürtel steckte ein Messer, und an demselben hingen mehrere Beutel, in denen alle die Kleinigkeiten steckten, welche einem Westmann nötig sind. Der Medizinbeutel hing an seinem Hals, daneben die Friedenspfeife mit dem aus heiligem Ton geschnittenen Kopf. In der Hand hielt er ein doppelläufiges Gewehr, dessen Holzteile dicht mit silbernen Nägeln beschlagen waren. Dies war das Gewehr, welches sein Sohn Winnetou später unter dem Namen Silberbüchse zu so großer Berühmtheit bringen sollte.
Der Jüngere war genauso gekleidet wie sein Vater, nur daß sein Anzug zierlicher gefertigt worden war. Seine Mokassins waren mit Stachelschweinsborsten und die Nähte seiner Leggins und des Jagdrockes mit feinen roten Nähten geschmückt. Auch er trug den Medizinbeutel am Hals und das Calumet dazu. Seine Bewaffnung bestand wie bei seinem Vater aus einem Messer und einem Doppelgewehr. Auch er trug den Kopf unbedeckt und hatte das Haar zu einem Schopf aufgewunden, aber ohne es mit einer Feder zu schmücken. Es war so lang, daß es dann noch reich und schwer auf den Rücken niederfiel. Gewiß hätte ihn manche Dame um dieses herrliche, blau schimmernde schwarze Haar beneidet. Sein Gesicht war fast noch edler als dasjenige seines Vaters und die Farbe desselben ein mattes Hellbraun mit einem leisen Bronzehauch. Er stand, wie ich jetzt erriet und später dann erfuhr, mit mir in gleichem Alter und machte gleich heut, wo ich ihn zum erstenmal erblickte, einen tiefen Eindruck auf mich. Ich fühlte, daß er ein guter Mensch sei und
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