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01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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augenblicklich nach mir, aber ich war schon wieder fort. Ich hatte das Herz nicht getroffen, und das Suchen nach mir begann mit erneuter und verdoppelter Wut. Dies dauerte wohl zehn Minuten lang; er verlor dabei viel Blut und wurde sichtlich matt. Dann setzte er sich wieder aufrecht hin, um sich nach den Augen zu langen. Dies gab mir Gelegenheit zu zwei weiteren, schnell aufeinander folgenden Messerstößen, und diesmal traf ich besser; er sank, während ich rasch wieder zur Seite gesprungen war, vorn nieder, lief taumelnd und fauchend einige Schritte vorwärts, dann zur Seite und wieder zurück, wollte sich abermals aufrichten, hatte aber nicht die Kraft dazu, sondern fiel hin und kollerte im vergeblichen Bemühen, auf die Beine zu kommen, einige Male hin und her, bis er sich lang ausstreckte und dann ruhig liegenblieb.
    „Gott sei Dank!“ schrie Rattler von seinem Baum herab. „Die Bestie ist tot. Das war eine schreckliche Gefahr, in der wir uns befanden.“
    „Wüßte nicht, worin das Schreckliche für Euch liegen sollte“, antwortete ich. „Ihr hattet ja sehr gut für Eure Sicherheit gesorgt. Jetzt könnt Ihr herunterkommen.“
    „Nein, nein, noch nicht. Untersucht vorher den Grizzly, ob er wirklich tot ist!“
    „Er ist tot.“
    „Das könnt Ihr nicht behaupten. Ihr habt gar keine Ahnung, welch ein zähes Leben so ein Vieh hat. Also untersucht ihn doch!“
    „Für Euch etwa? Wenn Ihr wissen wollt, ob er noch lebt, so untersucht ihn selbst; Ihr seid ja ein berühmter Westmann, während ich nur ein Greenhorn bin.“
    Ich wendete mich nun zu seinem Kameraden, welcher noch immer in der vorhin beschriebenen Lage an dem Baume hing. Er hatte zu heulen aufgehört und bewegte sich nicht mehr. Sein Gesicht war verzerrt, und seine weit offenen Augen stierten verglast zu mir herab. Das Fleisch war ihm bis auf die Knochen von den Schenkeln gerissen, und die Eingeweide quollen ihm aus dem Unterleib. Ich beherrschte mein Grauen und rief ihm zu:
    „Laßt fahren, Sir! Ich werde Euch herunternehmen.“
    Er antwortete nicht, und keine noch so leise Bewegung verriet, daß er mich verstanden habe. Ich bat seine Kameraden, von den Bäumen herabzusteigen und mir zu helfen. Diese berühmten ‚Westmänner’ waren nicht eher dazu zu bewegen, als bis ich den Bären einige Male hin und her gewendet und ihnen dadurch bewiesen hatte, daß er wirklich tot sei. Dann erst getrauten sie sich herunter und halfen mir, den so gräßlich Verstümmelten auf die Erde zu bringen. Dies hatte seine Schwierigkeiten, denn seine Arme hielten den Baum so fest umschlungen, daß wir sie nur mit Anwendung von Gewalt losbringen konnten. Er war tot. Dieses schreckliche Ende schien aber seine Kameraden nicht im geringsten anzugreifen, denn sie wendeten sich gleichgültig von ihm ab und dem Bären zu, und ihr Anführer sagte:
    „Jetzt wird es umgekehrt: Vorhin hat der Bär uns fressen wollen, nun wird er von uns gefressen werden. Rasch, ihr Leute, das Fell herunter, daß wir zu den Schinken und den Tatzen kommen!“
    Er zog sein Messer und kniete nieder, um seinen Worten die Tat folgen zu lassen; da aber bemerkte ich ihm:
    „Es wäre jedenfalls rühmlicher gewesen, wenn Ihr Euer Messer an ihm versucht hättet, als er noch am Leben war. Jetzt ist's zu spät dazu. Gebt Euch keine Mühe.“
    „Was?“ fuhr er auf. „Wollt Ihr mich etwa hindern, mir einen Braten herunterzuschneiden?“
    „Das will ich allerdings, Mr. Rattler.“
    „Mit welchem Recht?“
    „Mit dem besten, unbestreitbarsten Recht. Ich habe den Bären erlegt.“
    „Das ist nicht wahr. Ihr werdet doch nicht behaupten wollen, daß ein Greenhorn einen Grizzly mit dem Messer töten kann! Wir haben, als wir ihn erblickten, auf ihn geschossen.“
    „Und Euch dann schleunigst auf die Bäume retiriert; ja, das ist wahr, sehr wahr.“
    „Aber unsere Kugeln haben getroffen; an ihnen ist er schließlich verendet, nicht aber an den paar Nadelstichen, die Ihr ihm, als er schon halb tot war, mit Eurem Messer beigebracht habt. Der Bär ist unser, und wir machen mit ihm, was wir wollen. Verstanden?“
    Er wollte sich wirklich an die Arbeit machen; ich aber warnte ihn:
    „Laßt augenblicklich ab von ihm, Mr. Rattler; sonst lehre ich Euch, meine Worte zu achten! Auch verstanden?“
    Da er trotzdem mit dem Messer in den Pelz des Bären fuhr, faßte ich ihn so, wie er niedergebückt vor demselben kniete, mit beiden Händen bei den Hüften, hob ihn empor und warf ihn an den nächsten Baum, daß es

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