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0100 - Der Mann, der uns ins Handwerk pfuschte

0100 - Der Mann, der uns ins Handwerk pfuschte

Titel: 0100 - Der Mann, der uns ins Handwerk pfuschte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delfried Kaufmann
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finster.
    »Mein schräger Ehemann interessierte mich von diesem Augenblick an überhaupt nicht mehr. Kelly blieb über eine halbe Stunde an der Theke. Er sprach während dieser Zeit kein Wort. Er trank nur. Zwischendurch stopfte er ein halbes Dutzend Sandwiches in sich hinein. Er hat ein Maul wie ein Scheunentor. Er schafft ein Sandwich in drei Bissen. Als er ging, folgte ich ihm, aber ich mußte natürlich ein paar Sekunden verstreichen lassen, und als ich die Straße erreichte, war er schon verschwunden. Da es mir am nächsten und übernächsten Tag genauso ging, nehme ich an, daß seine Bude ganz in der Nähe der Kneipe liegt. Der ›Rote‹ kommt nur hin, um seinen Durst zu stillen und etwas zu essen. Er riskiert nicht viel damit. Selbst wenn er von den Gästen, die in dem Laden verkehren, erkannt wird, so wird sich kaum jemand darunter finden, der ihn verpfeift. Und die Entdeckung durch einen Zufallsbesucher wie mich war eigentlich ganz unwahrscheinlich.«
    Wir fuhren jetzt durch die 116. Straße, die bereits mitten in Harlem, New Yorks schwarzem Viertel, liegt. Harper trieb den Ford noch bis in die 120. Dort stoppte er.
    »Die Kneipe liegt ein Stück weiter hinunter«, erklärte er. »Besser, wir lassen meine Mühle hier.« Er warf mir einen Seitenblick zu.
    »Wollen Sie mir meine Kanone nicht zurückgeben, G-man?« fragte er.
    Ich schüttelte den Kopf. »Lieber nicht. Wenn Sie sich ohne Schießeisen unbekleidet Vorkommen, dann bleiben Sie im Wagen. Ich kenne Kelly auch allein. Wo ist die Kneipe?«
    »Ich gehe mit«, antwortete er.
    Wenn Sie mal nach New York kommen, besuchen Sie lieber nicht die 120. Straße. Sie würden einen schlechten Eindruck von unserer Stadt bekommen. Links und rechts riesige ungepflegte Mietskasernen. Auf den Treppenstufen sitzen Frauen, um die herum Kinder spielen. An jeder Ecke stehen Gruppen von Halbstarken in phantasievollen Lederjacken und pfeifen hinter jedem Girl her. Dazwischen torkeln Betrunkene, und nicht selten schläft einer, ungestört von dem ihn umbrandenden Lärm, im Rinnstein. Er kann das ruhig tun, sofern er sicher ist, keinen Cent mehr in der Tasche zu haben, und seine Schuhe das Ausziehen nicht mehr lohnen.
    Eine Unzahl von Kaschemmen letzter Klasse existieren in den Kellergeschossen der Häuser, Treffpunkt einer Unzahl kleiner Ganoven, Diebe und betrügerischer Buchmacher. Hin und wieder verirrt sich auch mal ein großer Fisch in das seichte Gewässer. Der »rote Kelly« war ein großer Fisch.
    Roger Harper steuerte die Treppe einer Kaschemme an, deren Namen auf dem verwaschenen Türschild nicht mehr zu lesen war. Verqualmte und von einem undefinierbaren Gestank erfüllte Luft schlug uns entgegen. Die Bude war nur halbvoll. Die Hautfarbe der Gäste reichte vom hellen Braun bis zum tiefen Schwarz. Nur zwei oder drei Leute hatten eine weiße Haut, darunter der Wirt, der seine runden drei Zentner hinter der Theke hin— und herschob.
    Wir stellten uns an diesen Barersatz.
    »Reden Sie mit mir«, flüsterte Harper. »Es ist besser!«
    Der Wirt sah uns mißtrauisch aus winzigen Augenschlitzen an.
    »Whisky!« sagte ich. »Gin!« verlangte Harper.
    Ich weiß nicht, ob die Gläser sauber waren, aber die Drinks waren überraschend gut.
    »Nicht fair von Sammy, die Sache allein zu machen«, begann Harper das Gespräch.
    »Wir werden noch mit ihm darüber reden«, antwortete ich. »Und es wird ihm dabei verdammt ungemütlich in seiner Haut werden.«
    Der Wirt hörte ungeniert zu, die Flasche noch in der Hand.
    »Gieß ein und dann troll dich!« pfiff ich ihn an. »Deine Gäste schreien nach dir wie Babies nach der Mutter!«
    Er verzog keine Miene, bediente uns und schob sich an das andere Ende der Theke.
    Neben Harper lümmelte sich ein großer Neger in einem karierten Anzug und mit einer schreiend bunten Krawatte. Er war trotz der frühen Stunde schwer betrunken. Aus einem undefinierbaren Grund fiel seine Aufmerksamkeit auf den Privatdetektiv. Mit lallender Zunge versuchte er, ein Gespräch mit ihm anzufangen.
    Harper wandte ihm nur kurz den Kopf zu.
    »Halt’s Maul!«
    Der Neger begann, ihn zu beschimpfen. Er benutzte die unflätigsten Ausdrücke.
    Harper unterbrach sich mitten im Satz, sagte »Entschuldigung« zu mir und fegte den Mann mit einer Handbewegung von den Beinen. Er mußte einen kleinen Jiu-Jitsu-Trick angewandt haben, denn seine Bewegungen waren ganz leicht und mühelos, während der Neger schwer und wie von einer himmlischen Macht getroffen auf den Fußboden

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