Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition)
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Freitagabend / Gesangsabend
Den Freitagabend hatte sich Georg Haller auch anders vorgestellt. Wenn es nach ihm gegangen wäre, dann stünde er jetzt sicher nicht hier vor dem Venezia . Die zwei alten Damen an seinem Arm und Herr Ebert im Schlepptau hatten sich extra konzertfein gemacht und freuten sich ganz offensichtlich sehr auf den Gesangsabend, zu dem das Ehepaar Felice sich die Ehre gegeben hatte, einzuladen. Dem Polizeihauptkommissar wäre ein ruhiger Abend zu Hause wesentlich lieber gewesen, seine Oldies aus der Schubartstraße Nummer fünf waren allerdings ganz anderer Ansicht. Richtig aufgekratzt waren Frau Schäufele und Frau Helmle vorhin zu ihm ins Auto gestiegen und hatten - wie Teenager kichernd - gestanden, dass sie sich mit ein oder zwei Gläschen Sekt schon ein wenig in Stimmung gebracht hatten. Herr Ebert hatte nur verwundert die Augenbrauen hochgezogen, sich zu Georg nach vorn gesetzt und den fröhlichen Damen den Fond überlassen. Frau Helmles kleiner Mops hatte keine Wahl, er musste zwischen den Frauen Platz nehmen und ertrug es mit Gelassenheit, dass die Damen ihn kraulten und unentwegt plapperten.
„Das war doch wirklich sehr nett von Herrn Felice, dass er extra gekommen ist, um dich zu dem Konzert einzuladen, Georg.“ Frau Schäufele beugte sich ein wenig nach vorn, um die Männer in ihr Gespräch mit einzubeziehen und bekam gleich Unterstützung von ihrer Nachbarin. „ Das finde ich auch. Aber ohne Schorsch wäre Frau Felice vielleicht nicht mehr am Leben. Immerhin hat er den Auftragskiller geschnappt. Ich hätt’ nie dacht, dass in Bärlingen Mörder durch die Gassen schleichen. Wie gut, dass wir dich haben, Schorsch, da können wir uns sicher fühlen.“
Georg sah die beiden Damen, mit denen er so lange er denken konnte im gleichen Haus wohnte, im Rückspiegel an. „Sie können unbesorgt sein, Bärlingen ist wahrlich nicht das Zentrum der Kriminalität. “ Dass seine Oldies aber auch immer so übertreiben mussten, dachte Georg, es waren eben Zivilisten. Er versuchte, sich mental auf das vorzubereiten, was ihm heute Abend bevorstand. Adriano Felice, der Inhaber der besten Pizzeria in Bärlingen, lud regelmäßig zu Konzertabenden ein, bei denen seine Frau Valentina ihre Gesangskünste zum Besten gab. Diese Abende hatten mittlerweile schon fast Kultstatus in der Kleinstadt und hinter vorgehaltener Hand hörte man, dass es bei diesen Abenden hoch hergehen musste. Bislang kannte Georg nicht viel mehr als diese Gerüchte und die hatten nicht unbedingt dazu beigetragen, dass er diesem Freitag entgegengefiebert hätte. Aber er hatte dem quirligen Italiener keinen Korb geben wollen, als dieser letzte Woche extra zu ihm gekommen war, um ihn persönlich einzuladen. Georg war gerade zu Hause angekommen und von Frau Helmle und Frau Schäufele im Treppenhaus aufgehalten worden, als der Pizzeria-Wirt dazukam und sich über die unerwartete Zuhörerschaft freute. Herrn Ebert musste das Palaver im Treppenhaus neugierig gemacht haben, denn er kam kurze Zeit darauf mit einer halbleeren Mülltüte als Alibi aus seiner Wohnung. Natürlich hatte er es überhaupt nicht eilig, den Abfall herunterzutragen, sondern ließ sich gern aufhalten.
Der Italiener lobte Georg Hallers Polizeieinsatz noch einmal wortreich und beteuerte , wie sehr er sich freuen würde, ihn in der kommenden Woche zu dem Gesangsabend begrüßen zu dürfen. Selbstverständlich seien auch die hier anwesenden Herrschaften herzlich willkommen. Georgs Hausgenossen nahmen die Einladung erfreut an, dankbar für die Abwechslung in ihrem Rentneralltag. Der Hauptkommissar merkte schnell, dass er aus der Nummer nicht herauskam und so fügte er sich in sein Schicksal.
Im Venezia hatte sich bereits versammelt, was in Bärlingen Rang und Namen hatte. Niemand wollte sich diesen Abend entgehen lassen, der das Versprechen in sich barg, in ein sinnenfreudiges Bacchanal auszuarten. So war bereits der Bürgermeister nebst Gattin und erwachsener Tochter da, auch Adrianos Geschäftskollegen aus der Nachbarschaft waren anwesend und sogar die Bärlinger Künstlerszene war mit dem Leiter des Kulturamtes und dem persönlichen Assistenten des Dirigenten Wellenstein, des berühmtesten Sohnes der Stadt, vertreten.
Georg hatte das Gefühl, dass er gar nicht selbst laufen musste, sondern dass ihn seine zwei Nachbarinnen im Schwitzkasten in Richtung Lokal führten. Der kleine dicke Mops wurde auch nicht gefragt, ob er Lust auf einen Abend in e iner
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