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015 - Das Blutmal

015 - Das Blutmal

Titel: 015 - Das Blutmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lindberg
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Vormittag? Holen Sie mich ab? Sagen wir, so gegen elf Uhr?«
    »Guter Vorschlag. Elf Uhr. Und seien Sie nicht zu sehr verbittert. Denken Sie an das Schöne. Denken Sie an Dante, der sagte, die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.«
    Schweratmend sagte Anna: »Mein Paradies ist die Hölle.«
     

     
    Das schöne Wetter hatte sich gehalten. Idusch klappte das Verdeck seines Sportwagens herunter und versuchte an sein Treffen mit Anna vorläufig nicht zu denken. Er besuchte seine Familie im Krankenhaus und berichtete seiner Frau von seinen Bemühungen um ein neues Haus. Der Abschied von seiner Frau war besonders innig. War es der letzte, fragte sich Idusch, als er tief deprimiert aus dem Zimmer ging.
    Lange blieb er versonnen vor seinem Wagen stehen, ehe er einstieg und zu Annas Wohnung fuhr.
    Er klingelte dreimal heftig und schlenderte dann zum Auto zurück. Während er wartete, beobachtete er den flutenden Verkehr. Menschen, dachte Idusch, normale Menschen. Sicher, auch sie hatten ihre kleinen Kümmernisse und Sorgen, aber von ihnen war keiner mit übersinnlichen Mächten konfrontiert worden. Bei dem Wort Hexe würden sie mitleidig lächeln. Er aber wartete auf eine Hexe, eine aus Fleisch und Blut.
    Er war so sehr in seine düsteren Überlegungen versunken, dass er Annas Kommen nicht bemerkt hatte. Erst ihre Stimme schreckte ihn hoch.
    »In welchem süßen Paradies wandern Sie denn gerade herum?«
    »Oh!« Er streckte ihr die Hand hin.
    Anna nahm sie nicht. Sie lächelte ihn spöttisch an. Wieder trug sie ihre schwarze Lederkleidung, die sie noch schmaler erscheinen ließ, als sie schon war.
    Ein Todesengel! schoss es Idusch durch den Kopf.
    Von seinen wahren Gedanken ließ er sich jedoch nichts anmerken. Er ging um den Wagen herum und hielt die Tür für sie auf.
    »Soll ich das Verdeck schließen? Manche Frauen fürchten den Fahrtwind wegen ihrer Frisur.«
    Anna setzte sich. »Ich fürchte nichts.«
    Idusch ließ den Motor an. Vorsichtig fädelte er sich in den starken Verkehr ein und fuhr in Richtung Meer.
    »Es ist zwar Badewetter«, sagte Anna, »aber danach ist mir nicht zumute.« Sie sah kurz zur Seite. »Wir sollten nicht um den heißen Brei herumstelzen. Ich war immer für Ehrlichkeit, Professor.«
    »Gut, Anna, wie soll Ihr Leben weitergehen? Haben Sie da exakte Vorstellungen?«
    »Ja, aber das dürfte doch wohl kaum Ihre Sorge sein, Ich finde, Sie und andere haben sich schon genug in mein ziemlich verpfuschtes Leben eingemischt. Ich habe das nicht gern.«
    Anna nahm ein Kopftuch aus der Tasche und band es um ihr im Wind flatterndes Haar.
    »Sie sollten statt Einmischung lieber Interesse sagen. Und das ist ja nicht unbedingt etwas Schlechtes«, sagte Idusch, ohne sie anzusehen. »Der Zusammenhang zwischen Ihrer Person und den – drücken wir es mal milde aus – Unfällen muss doch selbst Ihnen zu denken geben. Oder etwa nicht?«
    »Natürlich habe ich mir darüber Gedanken gemacht.«
    »Und was kam dabei heraus?«
    »Nichts mich Belastendes. Ach, wenn Sie wüssten, wie mich das alles quält, die Verdächtigungen und heimlichen Verwünschungen. Sie täuschen mich nicht, so wenig wie Veit. Auch Sie wünschen meinen Tod. Mit dieser Gewissheit zu leben, ist schwer für ein junges Mädchen. Besonders, weil ich keinerlei Groll gegen andere Menschen hege. Ich wollte immer nur friedlich leben. Aber geleugnet haben ja auch die Hexen in den früheren Prozessen. Verfemten glaubt eben niemand. Hilflose haben immer unrecht.«
    Annas Hand schnellte vor, als Idusch eine Kurve ein wenig zu scharf nahm.
    »Ängstlich?« fragte er. »Völlig unnötig. Der Wagen liegt wie ein Brett auf der Straße.«
    »Nun, kommen Sie schon zur Sache!« Ihre Stimme war wieder fest und energisch.
    »Gut, reden wir Fraktur. Ich wäre froh, wenn zwischen Ihnen und uns …«
    »Wer ist uns?«
    »Meine Familie und ich. Wenn zwischen Ihnen und uns räumliche Trennung bestehen würde. Studieren Sie doch zum Beispiel in München weiter! Ich würde mich um einen Studienplatz für Sie bemühen.«
    »Wie reizend! Soll ich vor Rührung weinen?« fragte Anna ironisch. »Ich bleibe hier.« Sie sah auf ihre Uhr. »Das ganze Gerede hat doch keinen Zweck. Kehren Sie bitte um und setzen Sie mich zu Hause ab.« Und leiser: »Ich hätte gar nicht kommen sollen.«
    Idusch schwieg und sann verbissen nach einer Lösung. Ihm fiel nichts ein. Die Gegenwart des Mädchens lähmte ihn auf unerklärliche Weise. Er wollte sie

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