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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Geld. Verlockend, aber es gehört nicht uns.« Ein solcher Wächter stand mir nie zur Seite.
    Eigentlich stimmt das nicht so ganz. Was Pinocchio an Jiminy Cricket hatte, besaß ich in meinem ungarischenGroßvater. Er war gestorben, als ich zehn war, und seit dem Tag seines Dahinscheidens war mir auf unbehagliche Weise bewusst, dass er mich von oben im Auge behielt und sich über all das grämte, was im Book of Common Prayer als die vielfältigen Sünden und Schändlichkeiten verzeichnet stand, deren ich mich schuldig gemacht hatte. Ich war vom rechten Weg abgekommen wie ein verlorenes Schaf, und es fand sich keine Vernunft in mir. Opa sah mich stehlen, lügen und betrügen; er erwischte mich dabei, wie ich verbotene Bilder in Magazinen betrachtete, und sah, wie ich an mir herumspielte; er wurde Zeuge meiner Gier, meiner Lüsternheit und meiner Schande. Aber trotz all seiner achtsamen Gegenwärtigkeit vermochte er mich nicht daran zu hindern, meinen ganz persönlichen Weg zur Hölle zu finden. Wäre ich hinreichend psychopathisch gewesen, um keine Reue zu verspüren, oder religiös genug, um an Erlösung durch eine äußerliche göttliche Kraft zu glauben, hätte ich wohl glücklicher sein können. Wie es aussah, blieb mir weder der Trost, frei von Schuld zu sein, noch die Überzeugung, jemals Vergebung zu erfahren.
     
    Im Gefängnis rollte sich jeder seine eigenen Zigaretten. Von einem Wochenlohn konnte man sich
fast
genügend Old-Holborn-Tabak oder Golden Virginia kaufen, um damit die sieben Tage bis zum nächsten Zahltag auszukommen. Das Zigarettenpapier war von der verbreiteten Rizla-Sorte, aber aus mir unerfindlichen Gründen mit dem Aufdruck »H M Prisons Only« quer auf der Packung versehen. Ich hortete so viele davon, wie ich konnte, und schaffte es, sie bei meiner Entlassung hinauszuschmuggeln. Noch Jahre später füllte ich sie aus den normalen roten, grünen und blauen Rizla-Päckchen nach, diedraußen im Handel waren, und fand mein Vergnügen daran, mit dem Spezialzigarettenpapier aus dem Knast gesehen zu werden und damit anzugeben. Wie peinlich. Ich würde manchmal gern zurückkehren können, um mir ein paar Ohrfeigen zu verabreichen. Nicht dass ich dem die geringste Aufmerksamkeit geschenkt hätte.
    Wenn sich die Gefängniswoche dem Ende näherte und den weniger besonnenen Insassen allmählich das Rauchwerk ausging, verlegten sie sich auf ein eigenartiges Schnorrerritual, das ich, der ebenfalls nie mit meinen Vorräten hauszuhalten wusste, mir schnell aneignete. »Lass doch mal den Nächsten ran, Kumpel«, versuchte man den anderen zu umgarnen, und wenn man als Erster mit diesem Ansinnen kam, wurde man mit einer Kippe belohnt. Diese ausgelutschten Zigarettenstummel aus zweiter Hand, deren karger Rest aus kostbaren Tabakfasern bitter schmeckte und von dem Rauch geteert war, der sie durchwabert hatte, waren wie Dattelpalmen in der Wüste, und ich paffte sie, bis Brandblasen auf meinen Lippen aufquollen. Wir alle kennen die Demütigungen, denen sich hörige Menschen aussetzen, nur um ihre Süchte zu befriedigen, ob es sich um Drogen, Alkohol, Tabak, Zucker oder Sex handelt. Die Verzweiflung, die ungehemmte Gier und das Bild der Erniedrigung, das sie öffentlich abgeben, lassen im Vergleich ein Trüffelschwein als gelassen und in sich ruhend erscheinen. Das Bild, das ich bot, wenn ich begehrlich den letzten Zug zischend inhalierte und mir dabei Mund und Fingerspitzen verbrannte, hätte ausreichen müssen, mir alles über mich zu verraten, was ich hätte wissen müssen. Das tat es natürlich nicht. Als ich während der Schulzeit einsehen musste, dass ich im Sport eine absolute Niete war, hatte ich mich entschlossen,ein brauchbares Hirn auf einem unbrauchbaren Körper zu sein. Ich war der Inbegriff von Verstand und Geist, während alle anderen um mich herum nichts waren als Lehm und Blut. Die Wahrheit, dass ich nämlich ein
weitaus
größeres Opfer physischer Bedürfnisse war als sie, hätte ich zornig von mir gewiesen. Was nur beweist, was für ein ausgemachter Idiot ich war.
     
    Nach ungefähr einem Monat Haft in Pucklechurch wurde ich schließlich vom Gericht zu zwei Jahren Bewährung verurteilt und wieder in die Obhut meiner Eltern entlassen. Diesmal schaffte ich es, mich an einem College einzuschreiben und die Prüfungen mit so guten Zensuren zu bestehen, dass ich in Cambridge aufgenommen wurde. †
    Die Gefängniszeit muss wohl der Nadir meines Lebens gewesen sein. Die Selbstmordversuche † , die

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