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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Naturwissenschaften zu vertreten. Bereits an meinem dritten Tag wurde mir aufgetragen, in der Upper Fifth Biologieunterricht zu geben.
    »Welcher Stoff wird im Moment durchgenommen?«, fragte ich. Meine Kenntnisse in diesem Unterrichtsfach waren lückenhaft.
    »Die menschliche Fortpflanzung.«
    An jenem Morgen lernte ich eine Menge, übers Lehren und dazu noch über die menschliche Fortpflanzung.
    »Also«, hatte ich die ganze Klasse angesprochen. »Erzählt mir, was ihr wisst …«
    Es sollte sich so anhören, als wolle ich sie prüfen, und ich nickte bedeutsam, als sie antworteten. Tatsächlich improvisierte ich natürlich hemmungslos. Ich hörte ihnen fasziniert zu, abgestoßen und ungläubig, als sie die Einzelheiten diverser Röhren und Drüsen und Klappen und Protuberanzen schilderten, von denen ich zwar schon gehört hatte, mit deren Formen, Eigenschaften und Funktionen ich jedoch absolut nicht vertraut war. Der
vas deferense
, die fallopischen Röhren, die Epididymis, die Klitoris und das Frenulum … es war fesselnd fies. Zutiefst beeindruckt davon, wie erschöpfend und umfangreich das Wissen der Upper Fifth war, verließ ich den Biologieraum.
    Wenn kein Unterricht stattfand, war der Stundenplan in Cundall Manor mannhaften Betätigungen gewidmet. Ohne im Geringsten mit dem Regelwerk der beiden Sportarten vertraut zu sein, fand ich mich auf den Rugby- und Fußballspielfeldern wieder, die Schiedsrichterpfeife zwischen den Lippen. Ich stellte fest, dass ich nur alle fünf oder zehn Minuten pfeifen, meine Fersen willkürlich in den Matsch stemmen, in Richtung Tor zeigen und einen »Scrum-Down« oder indirekten Freistoß geben musste, um mich durchzumogeln.
    »Aber, Sir! Was für ein Verstoß soll das gewesen sein?«
    »Glauben Sie nur nicht, Heydon-Jones, dass ich es nicht gesehen habe.«
    »Das müsste doch ganz klar einen direkten Freistoß gegeben haben, Sir?«
    »Wenn es einen direkten Freistoß hätte geben müssen, hätte ich einen direkten Freistoß gegeben, oder?«
    Wenn es aberwitzig war, dass ich, ein Sport hassender Störenfried, ein unsozialer, aufmüpfiger, dreimal der Schule verwiesener Krimineller auf Bewährung, jetzt tatsächlich Strafen verteilte, die Schiedsrichterpfeife schrillen ließ und beim Morgengebet zur Ruhe ermahnte, dann handelte es sich um keinen Aberwitz, über den ich je eingehender nachdachte oder gar schmunzelte. Was mich betraf, war meine Neuerfindung vollständig abgeschlossen, und der verschlagene Heimlichtuer Stephen, der sich außerhalb der gesunden und gesitteten Welt herumgetrieben hatte, lebte nicht mehr. Ihn hätte ohnehin nicht das Geringste mit dem umgänglichen jungen Sonderling verbunden, dem Wortspiele auf Latein gelangen und der drohte, die Schüler der Fourth Form nach Strich und Faden zu vermöbeln, wenn sie nicht eine Sekunde lang zu schwatzen aufhören konnten: »Kruzifix noch mal … und sehen Sie endlich nach vorn, Halliday, oder ich verabreiche Ihnen eine Tracht, dass Sie die Engel singen hören. Worauf Sie sich verlassen können.«
    Solche Drohungen waren natürlich scherzhaft übertrieben, aber die Prügelstrafe war damals noch gang und gäbe, auch an unserer Schule. Ob ich je eine Hand erhoben habe, um ein Kind im Namen von Ordnung und Disziplin zu züchtigen? Ja, ich gestehe es ein. Ich war in der Schule ebenfalls geschlagen worden und hatte die Rolle des Rohrstocks, des Lineals und der Schuhsohle im Schulalltag nie in Frage gestellt. Bevor Sie die Hände ringen oder mich zur Selbstkasteiung zwingen, lassen Sie mich erklären.
    Es trug sich folgendermaßen zu …
     
    Nach ungefähr einem Monat meines ersten Semesters habe ich eines Abends Aufsichtsdienst. Nachdem ich dafür gesorgt habe, dass die Knaben ins Bett gestiegen sind, muss ich das Licht löschen und danach für etwaige Notfälle und unerwartete Krisen dienstbereit bleiben. In Cundall sind die Schlafsäle nach Seevögeln benannt: Säbelschnäbler, Lumme, Austernfischer und dergleichen. In meiner Prep School trugen sie die Namen von Bäumen – Buche, Ulme, Eiche, Platane. Ich kann mir vorstellen, dass im 21. Jahrhundert die schulischen Schlafquartiere weltläufigerer, kinderfreundlicher Lehranstalten Ferrari heißen, Aston Martin, Porsche und Lamborghini, Chardonnay, Merlot, Pinot Noir und Shiraz oder gar Beyoncé, Britney, Jay-Z und Gaga, aber zu meiner Zeit, der von Peter Scott, Gerald Durrell und dem Tufty Club, hielt man die Natur und die Tiere des Waldes für geziemende und schickliche

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