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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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hatte und irgendein bedauernswertes Genie namens Simon Fry oder Stephen Pry um seinen verdienten Studienplatz betrogen worden war. Es würde eine schonungslose öffentliche Untersuchung stattfinden, durch die man mich als geistig minderbemittelten Scharlatan entlarven würde, der an einer ernstzunehmenden Universität nichts zu suchen hatte. Ich konnte mir sogar das Zeremoniell ausmalen, mit dem ich offiziell vor die Tore der Universität verbannt wurde, und begleitet von einem Pfeifkonzert und unter Beifallsgejohle sah ich mich davonschleichen. Eine Institution wie Cambridge war für andere Menschen gedacht, für Insider, Clubmitglieder, Auserwählte – eben
die
.
    Sie mögen vielleicht glauben, dass ich übertreibe, und vielleicht tue ich das. Aber nicht um mehr als fünf Prozent. All diese Gedanken gingen mir tatsächlich durch den Kopf, und ich fürchtete ernsthaft, dass ich nicht die Berechtigung besaß, als Undergraduate in Cambridge zu studieren, und dass diese Wahrheit schon bald zutage käme, ebenso wie die akademischen und intellektuellen Defizite, die deutlich machen würden, dass ich einer Immatrikulation unwürdig war.
    Zum Teil plagten mich diese Gefühle deswegen, weil ich eine höhere Meinung von Cambridge hatte als die meisten Undergraduates. Ich glaubte bedingungslos an Cambridge und vergötterte es. Ich hatte es Oxfordund auch jeder anderen Universität vorgezogen, weil … weil … ach, du meine Güte, ich kann es einfach nicht erklären, ohne entsetzlich affektiert zu klingen.
    Damals war E. M. Forster mein Lieblingsautor des 20. Jahrhunderts. Ich verehrte ihn und G. E. Moore und den Geheimbund der Cambridge Apostles und deren assoziierte Bloomsbury-Satelliten Goldworthy Lowes Dickinson und Lytton Strachey sowie die erlauchteren Planeten ihres Systems: Bertrand Russell, John Maynard Keynes und Ludwig Wittgenstein. Besonders verehrte ich den Kult persönlicher Beziehungen, dessen Fürsprecher Forster war. Seine Ansicht, dass Freundschaft, Wärme und Ehrlichkeit zwischen den Menschen mehr bedeuteten als jede gemeinsame Sache oder jedes Glaubenssystem, war für mich sowohl ein pragmatisches als auch ein romantisches Ideal.
    »Ich hasse die Vorstellung, sich einer gemeinsamen Sache zu verschreiben«, schrieb er, »und wenn ich wählen müsste zwischen dem Verrat an meinem Land und dem an meinen Freunden, würde ich hoffentlich den Mut aufbringen, mein Land zu verraten.« Diese Erklärung aus einem Essay mit dem Titel
What I Believe
, veröffentlicht in der Sammlung
Two Cheers for Democracy
, wurde von manchen schon fast als Hochverrat angesehen. Angesichts seiner Verbindungen zu einer Gruppe, die später als die Cambridge Spies bekannt wurde, lässt sich leicht nachvollziehen, warum ein solches Credo noch immer Unbehagen verursacht. Das ahnte er natürlich sehr wohl, denn er schrieb weiter:
     
    Eine solche Entscheidung mag dem modernen Leser skandalös erscheinen, und vielleicht greift er mit der patriotischen Hand sofort zum Telefon, um die Polizeizu rufen. Dante hätte die Entscheidung jedoch nicht erschreckt. Dante schickte Brutus und Cassius in den niedrigsten Höllenkreis, denn sie hatten sich entschieden, lieber ihren Freund Julius Caesar zu verraten als ihre Heimat Rom.
     
    Ich weiß, wie unerträglich furchtbar ich erscheinen muss, wenn ich Ihnen sage, dass ich nach Cambridge gehen wollte, weil es dort den Bloomsbury-Kreis gab und eine kleine Schar tuntiger alter
Bien-pensant -
Au toren und Verräter, aber so war es nun mal. Es ging nicht um Peter Cook und John Cleese und die Tradition der Comedy, sosehr ich das alles auch bewunderte, noch ging es um Isaac Newton und Charles Darwin und die Tradition der Wissenschaft. Die Schönheit von Cambridge als Universitätsstadt hat mich wohl auch beeinflusst. Ich habe sie gesehen, bevor ich Oxford sah, und sie brach mir das Herz, wie die Liebe auf den ersten Blick es immer tut. Aber letztlich war es, wie prätentiös es auch klingen mag, die intellektuelle und ethische Tradition, die meine puritanische und selbstgerechte Seele ansprach. Ich war einer monströsen Jugend entwachsen, wie Sie sich erinnern werden, und ich vermute, es bedurfte der heiligen Feuer von Cambridge, um mich zu läutern.
    »Cambridge bringt Märtyrer hervor, und Oxford wirft sie auf den Scheiterhaufen.« Ich kann mich ehrlich nicht daran erinnern, ob der Satz von mir ist oder ob ich ihn mir bei jemand anderem ausgeborgt habe: Anscheinend wird er im Web mir zugeschrieben, was

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