02 - Winnetou II
Weise, wie ich es wollte. Die See war dunkel und das Land auch; ich konnte in der dichten Finsternis die eine nicht von dem andern unterscheiden, mir also keine zum Landen passende Stelle suchen und trieb mit dem Kopf in der Weise gegen eine Klippe an, als hätte mir jemand mit einem Beil einen Hieb gegeben. Ich hatte noch die Geistesgegenwart, mich schnell an diesem Felsen emporzuarbeiten und verlor dann das Bewußtsein.
Als ich wieder zu mir kam, war der Hurrikan noch nicht vorüber. Mein Kopf schmerzte mich, doch beachtete ich dies nicht. Viel größere Sorge machte mir der Umstand, daß ich nicht wußte, wo ich mich befand. Lag ich auf dem festen Lande oder auf einer aus dem Wasser ragenden Klippe? Ich durfte nicht von der Stelle fort, auf welcher ich mich befand. Sie war glatt und eben und ich hatte Mühe, sie zu behaupten, denn die Kraft des Sturmes war groß genug, mich wegzufegen. Nach einiger Zeit aber bemerkte ich, daß sie sich verminderte, und dann dauerte es, wie es bei derartigen Wirbelstürmen fast stets der Fall zu sein pflegt, gar nicht lange, so war der Hurrikan ganz plötzlich, wie mit einem Schlage vorüber, der Regen auch, und die Sterne erschienen am Himmel.
Bei ihrem Scheine konnte ich mich orientieren. Ich befand mich an der Küste. Hinter mir tobte die Brandung; vor mir sah ich einzelne Bäume stehen. Ich ging auf dieselben zu; sie hatten dem Sturme getrotzt; andere aber hatte er aus der Erde gerissen und niedergeworfen, oder gar streckenweit mit fortgenommen. Dann bemerkte ich einige Lichter, welche sich bewegten; da mußten Menschen sein, und ich beeilte mich, sie aufzusuchen.
Sie befanden sich bei einigen Gebäuden, denen der Sturm arg mitgespielt hatte; von einem derselben hatte er das ganze Dach mit fortgenommen. Wie staunten die Leute, als sie mich erblickten! Sie starrten mich an, als ob sie mich für ein Gespenst hielten. Die See tobte noch so, daß wir brüllen mußten, um uns zu verstehen. Sie waren Fischersleute. Der Sturm hatte unser Schiff gegen die Tortugas getrieben, und zwar gegen diejenige Insel, auf welcher sich Fort Jefferson befindet. In diesem waren damals konföderierte Kriegsgefangene interniert.
Die Fischer nahmen sich meiner auf das freundlichste an und versahen mich mit frischer Wäsche und den notwendigsten Kleidungsstücken, denn ich war nur so bekleidet, wie man sich während einer Seereise schlafen zu legen pflegt. Dann schlugen sie Alarm, denn es galt, die Küste nach andern vielleicht Geretteten abzusuchen. Es wurden bis zum Morgen sechzehn Personen gefunden. Bei dreien gelang es, sie ins Leben zurückzurufen; die andern waren tot. Als es Tag wurde, sah ich das Ufer mit angespülten Trümmern bedeckt; das Schiff war zerschellt; der Vorderteil des Rumpfes saß auf der Klippe, auf welche ihn der Hurrikan getrieben hatte.
Ich war also ein Schiffbrüchiger, und zwar im vollsten Sinne des Wortes, denn ich besaß nichts, gar nichts mehr; das Geld, welches einem so Freude erregenden Zweck hatte dienen sollen, lag auf dem Grund der See. Natürlich bedauerte ich diesen Verlust, doch nicht ohne mich über denselben zu trösten; ich selbst war ja gerettet, ich und noch drei von so vielen, gewiß ein großes Glück!
Der Kommandant des Forts nahm sich unser an; wir bekamen, was wir brauchten, und mir erwirkte er die Gelegenheit, per Schiff nach New York zu gehen. Dort angekommen, stand ich ärmer da als damals, als ich die Stadt zum erstenmal betreten hatte. Ich besaß nichts als den Mut, von neuem anzufangen.
Warum hatte ich mich nach New York und nicht nach St. Louis gewendet, wo ich Bekannte besaß und wenigstens auf die Hilfe des alten Henry sicher rechnen konnte? Weil ich ihm schon so sehr zu Dank verpflichtet war und diese Verpflichtung nicht gern vergrößern wollte. Ja, wenn ich sicher gewesen wäre, Winnetou dort zu treffen! Dies war aber keineswegs der Fall. Seine Jagd nach Santer konnte monatelang und noch länger dauern; wo hatte ich ihn während dieser Zeit zu suchen? Ich war zwar fest entschlossen, wieder mit ihm zusammenzukommen; da mußte ich aber nach dem Westen, nach dem Pueblo am Rio Pecos, und um dies zu können, mußte ich mich vorher auf eigene Füße stellen. Bei den jetzigen Verhältnissen konnte mir dies, so war ich überzeugt, am besten in New York gelingen.
Diese Voraussetzung täuschte mich nicht; ich hatte Glück. Ich machte die Bekanntschaft des sehr honorablen Mr. Josy Tailor, Dirigenten eines damals berühmten Privatdetektiv-Corps,
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