02 - Winnetou II
Amerikaner ist ein wunderbarer Kerl. Was er braucht, ist stets da. Woher die Leute alles so schnell bekommen oder geholt hatten, das wußten wir nicht, aber so viele ihrer sich dem Zug anschlossen, und das waren wohl alle, die würdigen Prediger und die ‚Ladies‘ ausgenommen, jeder hatte irgendein zur Katzenmusik geeignetes Instrument in der Hand. Als alle in Reih und Glied standen, gab der Sheriff das Zeichen; der Zug setzte sich in Bewegung, und die voranschreitenden Virtuosen begannen das Yankee-doodle zu malträtieren. Am Schluß desselben fiel die Katzenmusik ein. Was alles dazu gepfiffen, gebrüllt, gesungen wurde, das ist nicht zu sagen. Es war, als ob ich mich unter lauter Verrückten befände. So ging es im langsamen Trauerschritt nach dem Flusse, wo die Gefangenen dem Kapitän abgeliefert wurden, welcher sie, wie wir uns überzeugten, in sichern Gewahrsam nahm. An Flucht war nicht zu denken, dafür verbürgte sich der Kapitän. Übrigens wurden sie von den mitfahrenden Deutschen auf das strengste bewacht.
Als sich das Schiff in Bewegung setzte, bliesen die Musikanten ihren schönsten Tusch, und die Katzenmusik begann von neuem. Während aller Augen dem Schiff folgten, nahm mich Old Death beim Arm und trollte mich mit Lange und Sohn heim. Dort angelangt, beschlossen wir, einen kurzen Schlaf zu halten; aber er dauerte länger, als wir uns vorgenommen hatten. Als ich erwachte, war Old Death schon munter. Er hatte vor Schmerzen in der Hüfte nicht schlafen können und erklärte mir zu meinem Schreck, daß es ihm unmöglich sei, heute weiter zu reiten. Das waren die schlimmen Folgen seines Sturzes beim Tanz. Wir schickten nach dem Wundarzt. Dieser kam, untersuchte den Patienten und erklärte, das Bein sei aus dem Leib geschnappt und müsse also wieder hineingeschnappt werden. Ich hätte ihm am liebsten eine Ohrfeige gegeben. Er zerrte eine halbe Ewigkeit an dem Bein herum und versicherte uns, daß wir es schnappen hören würden. Wir lauschten aber natürlich vergebens. Dieses Zerren verursachte dem Scout fast gar keine Schmerzen; darum schob ich den Pflastermann zur Seite und sah die Hüfte an. Es gab da einen blauen Fleck, welcher in einen gelben Rand auslief, und ich war darum überzeugt, daß es sich um eine Quetschung handelte.
„Wir müssen für eine Einreibung mit Senf oder einem andern Spiritus sorgen, das wird Euch aufhelfen“, sagte ich. „Freilich, wenigstens heute müßt Ihr Euch ruhig verhalten. Schade, daß Gibson indessen entkommt!“
„Der?“ antwortete der Alte. „Habt keine Sorge, Sir! Wenn man die Nase so eines alten Jagdhundes, wie ich bin, auf eine Fährte richtet, so läßt er sicher nicht nach, bis das Wild gepackt ist. Darauf könnt Ihr euch getrost verlassen.“
„Das tue ich auch; aber er gewinnt mit William Ohlert einen zu großen Vorsprung!“
„Den holen wir schon noch ein. Ich kalkuliere, es ist ganz gleich, ob wir sie einen Tag früher oder später finden, wenn wir sie eben nur finden. Haltet den Kopf empor! Dieser sehr ehrenwerte Sheriff hat uns mit seinem Reel und seinen beiden Ladies einen kleinen Strich durch die Rechnung gemacht; aber Ihr könnt Euch darauf verlassen, daß ich die Scharte gewiß auswetzen werde. Man nennt mich Old Death. Verstanden!“
Das klang freilich leidlich tröstlich, und da ich dem Alten zutraute, daß er Wort halten werde, so gab ich mir Mühe, unbesorgt zu sein. Allein konnte ich doch nicht fort. Darum war es mir auch sehr willkommen, als Master Lange beim Mittagessen sagte, er wolle mit uns reisen, da sein Weg vorläufig derselbe sei.
„Schlechte Kameraden erhaltet ihr an mir und meinem Sohn nicht“, versicherte er. „Ich weiß ein Pferd zu regieren und mit einer Büchse umzugehen. Und sollten wir unterwegs auf irgendwelches weißes oder rotes Gesindel stoßen, so wird es uns nicht einfallen, davonzulaufen. Also wollt ihr uns mitnehmen? Schlagt ein!“
Natürlich schlugen wir ein. Später kam Cortesio, der noch länger geschlafen hatte als wir, und wollte uns die beiden Pferde zeigen. Old Death hinkte trotz seiner Schmerzen in den Hof. Er wollte die Pferde selbst sehen.
„Dieser junge Master behauptet zwar, reiten zu können“, sagte er; „aber unsereins weiß, was davon zu halten ist. Und einen Pferdeverstand traue ich ihm nicht zu. Wenn ich ein Pferd kaufe, so suche ich mir vielleicht dasjenige aus, welches das schlechteste zu sein scheint. Natürlich aber weiß ich, daß es das beste ist. Das ist mir nicht nur einmal
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