0218 - Generalprobe für einen Mord
Überwachungsabteilung lagen auf den Couches der Bereitschaftsräume, die Schuhe an den Füßen, und ihre Wagen standen auf dem Hof. Sullivan saß im Abhörraum bei den Technikern und goss eine zweite Kanne Kaffee in sich hinein.
Ich ließ mich über Sprechfunk mit dem Streifenwagen der City Police am Eingang der Gansevoort Street verbinden.
»Etwas Besonderes bei euch los?«
»Nein, es ist alles ruhig, Agent.«
Ich legte wieder auf, zögerte aber immer noch, nach Hause zu gehen.
»Komm schon«, sagte Phil. »Wir können hier nichts mehr tun. Mag sein, dass die Kerle noch heute Nacht anrufen. Es kann aber auch sein, dass Sie uns vierundzwanzig oder gar achtundvierzig Stunden warten lassen. Je höher sie die Angst der Eltern treiben, desto willfähriger machen sie die Leute.«
Phil hatte recht, natürlich, aber ich verließ nur widerstrebend das Hauptquartier und stieg mit Phil in den Jaguar. Sehr langsam steuerte ich meine Mühle durch das nächtliche New York in Richtung auf Phils Wohnung.
Mich quälte der Gedanke, dass ich irgendetwas unterlassen hatte. Nein, nicht unterlassen, sondern gewissermaßen nicht berücksichtigt hatte.
Nach meiner Theorie waren Bydman, Tonelli, Chedwyn und die anderen die Entführer des Duval-Jungen. Charles Calhöun hatte ihnen den Tipp geliefert. Sid Krowsky hatte auf noch ungeklärte Weise von dem Entführungsplan erfahren und hatte versucht, sein Wissen an Lieutenant Calhoun zu verkaufen, weil Calhouns Stiefbruder an dem geplanten Verbrechen beteiligt war. Als John Calhoun ihn abblitzen ließ, wandte sich Krowsky an die Gangster und wurde als lästiger Mitwisser von ihnen umgebracht.
Lieutenant Calhoun begriff beim Anblick von Krowskys Leiche, dass sein Stiefbruder mit der Sache zu tun hatte. Er stellte Charles Calhoun noch am gleichen Nachmittag und wurde von ihm oder von seinen Kumpanen ermordet.
So weit hörte sich alles gut und logisch an. Warum aber, zum Henker, wurde John Calhoun im Westside-Kanal gefunden?
Es war ganz unwahrscheinlich, dass die Gangster den Lieutenant in das Kanalsystem geschafft hatten, nur um ihn dort unten zu ermorden. Ebenso unwahrscheinlich war es, dass sie seine Leiche dort versteckt hatten. Bot sich als einzige Lösung nicht an, dass der Zusammenstoß zwischen dem Lieutenant und den Gangstern sich dort unten ereignet hatte? Das aber bedeutete, dass…
Ich steuerte den Jaguar an den Straßenrand, stoppte und stieg aus.
»Was ist los?«, rief Phil.
»Bin gleich zurück.«
Ich betrat einen Drugstore, der noch geöffnet war.
»Kann ich telefonieren?«, fragte ich den Besitzer. Wörtlos zeigte er auf das Telefon.
Ich rief das Hauptquartier an und verlangte Sullivan. Als er sich meldete, sagte ich: »Evan, ich möchte das Haus der Duvals noch heute Nacht untersuchen.«
»Eine Haussuchung?«, fragte er fast erschrocken zurück.
»Nicht eigentlich eine Haussuchung. Ich interessiere mich für das Abwassersystem von Nr. 5!«
Er begriff sofort. »Weil der Lieutenant im Westside-Kanal gefunden wurde?«
»Ja, genau. Ich will wissen, ob von Nr. 5 eine Verbindung zum Kanalsystem besteht, die ein Mensch passieren könnte.«
»Ich verstehe, Jerry, aber stell die Sache zurück, bis der Kidnapping-Fall erledigt ist! Adam Duval will keine Polizisten in seinem Haus sehen, bevor er nicht seinen Jungen zurückbekommen hat.«
»Evan, es können Zusammenhänge bestehen.«
»Mit dem Mord an dem Lieutenant, vielleicht, aber nicht mit der Entführung. Der Duval-Junge ist nicht durch irgendeinen vielleicht vorhandenen Kanal entführt worden. Das steht fest.«
Er hatte recht, aber ich wollte nicht aufgeben.
»Sollten wir nicht trotzdem…«
Er schnitt mir das Wort ab.
»Jerry, es ist völlig ausgeschlossen, dass wir jetzt noch Nachforschungen in der Villa durchführen. Duval will seit dem Anruf der Entführer nichts mehr mit uns zu tun haben. Er fürchtet, dass jeder Kontakt mit der Polizei seinen Sohn gefährdet. Er würde uns mit Sicherheit den Zutritt verweigern, und, verdammt, ich kann es verstehen.«
Sullivan legte auf. Ich hieb den Hörer auf die Gabel, schob den Hut ins Genick und dachte nach. Evan war im Recht. In der Gansevoort Street war nichts zu machen, aber…
»Haben Sie ein Telefonbuch?«, fragte ich den Drugstore-Besitzer.
»Habe ich«, knurrte er. »Wollen Sie vielleicht auch ’nen Zahnstocher? Den geben wir auch kostenlos ab.«
Er war wütend darüber, dass ich sein Telefon blockierte, ohne auch nur einen Drink zu nehmen.
Forster
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