023 - Im Zeichen des Boesen
Namenlosen beschäftigen, die dieses Schloß betreten hatten und spurlos verschwunden waren. Er mußte an sein eigenes denken.
Es kostete ihn keine Mühe, sich Lilian auf die Schulter zu laden. Er spürte ihr Gewicht kaum. Während er sich seinen Weg durch die Dunkelheit ertastete, mußte er an die Worte der Gräfin denken: »Eure Brüder von der Ahnengruft erheben sich aus ihren Gräbern und lassen sich von ihrem untrüglichen Instinkt zur Quelle führen, aus der unverdünntes Menschenblut sprudelt!«
Also mußte es mehr als nur diesen Vampir geben, der Lilian überfallen hatte. Wenn nun dieser Geheimgang geradewegs in die Familiengruft derer von Lethian führte? Dann würde er den Vampiren in die Arme laufen und wäre verloren. Aber daran wollte er noch nicht denken; er mußte dieses Risiko eingehen, er hatte keine andere Wahl.
Ein Modergeruch schlug ihm entgegen, der ihm den Atem raubte. Die Wände waren trocken, und bei jedem seiner vorsichtigen Schritte wurde Staub aufgewirbelt.
Dorian wußte nicht mehr, wie lange er sich durch den engen Geheimgang bewegt hatte, als sein Fuß plötzlich ins Leere trat. Vor ihm waren Stufen, der Gang führte in die Tiefe.
Vorsichtig stieg er von einer Stufe auf die nächste hinunter. Die Treppe schien kein Ende zu nehmen, und von nirgends fiel ein Lichtschein in den Geheimgang. Er hatte bereits dreiundsiebzig Stufen gezählt, die in schnurgerader Richtung in die Tiefe führten, und noch hatte er nicht das Ende der Treppe erreicht. Die Wände waren jetzt feucht, die Stufen glitschig. Er mußte höllisch aufpassen, daß er nicht ausrutschte.
Nach der achtundachtzigsten Stufe spürte er plötzlich ebenen Boden unter den Füßen. Drei Meter weiter stieß er gegen ein Hindernis. Seine Hand ertastete eine eisenbeschlagene Tür und fand die große, eiserne Klinke. Er drückte sie nieder und die Tür langsam auf.
Auch hier herrschte absolute Dunkelheit, aber sein Instinkt sagte ihm, daß er nun in einen größeren
Raum kam. Irgendwo tropfte Wasser. Und er spürte ganz deutlich die Präsens eines Lebewesens. Dorian trat aus dem Luftzug und lehnte sich gegen die Wand. Die Nässe drang durch sein Sakko und vermischte sich mit dem Schweiß seines Rückens. Ihn fröstelte, aber mit der Wand im Rücken fühlte er sich sicherer; so konnte er nur von vorn angegriffen werden.
Langsam und vorsichtig, jedes unnötige Geräusch vermeidend, ließ er Lilian von seiner Schulter gleiten und bettete sie auf den Boden. Dann stand er sprungbereit da. Seine Hände glitten in die Taschen des Sakkos, seine Rechte fand das Gasfeuerzeug. Er drehte das kleine Rädchen bis zum Anschlag, hielt das Feuerzeug weit von sich ab und ließ es aufflammen.
Eine zehn Zentimeter lange Stichflamme schoß hervor und erhellte den Raum.
Eine Folterkammer!
Dorian sah im flackernden Lichtschein Streckapparate, Knochenbrecher, ein übermannsgroßes Rad; und an den Wänden hingen unzählige Folterwerkzeuge. Gleich links von ihm stand eine Eiserne Jungfrau, deren Inneres mit hölzernen Stacheln versehen war.
Hinter der eisernen Jungfrau sprang jetzt ein Schatten in einem weiten Umhang hervor.
Der Vampir!
Dorian lief dem Blutsauger entgegen, die Flamme des Feuerzeugs auf ihn gerichtet. Der Vampir schrie auf und hielt die Hände schützend vors Gesicht. Dabei fing sein Umhang Feuer. Und während sich der Vampir verzweifelt bemühte, die Flammen zu ersticken, setzte Dorian die Kleidung an anderen Stellen in Brand.
Der Blutsauger raste, schrie vor Schmerz und Wut. Es gelang ihm, seinen lichterloh brennenden Umhang abzustreifen, aber inzwischen standen schon seine Hosen in Flammen. Er stampfte mit den Beinen auf und heulte schauerlich.
Dorian verhinderte durch geschickte Manöver, daß der Vampir nach links oder rechts ausbrechen konnte, aber er ließ ihn ungehindert nach hinten ausweichen. Dort stand die Eiserne Jungfrau.
Der Vampir wurde auf sie zugetrieben. Als er genau vor ihr stand, gab Dorian ihm einen Tritt, so daß er in die mit Stacheln versehene Form stolperte. Und im selben Moment sprang Dorian vor und klappte das Vorderteil zu.
Ein schrecklicher Schmerzensschrei ertönte, als sich die Stacheln von allen Seiten in den Körper des Vampirs bohrten. Dorian wußte, daß man sein Herz durchbohren mußte, um ihn für alle Zeiten zu vernichten.
Endlich hörte das Schreien auf. Der Vampir hatte unzählige Wunden, aber nur aus einer einzigen -der Herzwunde – rannen einige Tropfen Blut. Er war tot und verfiel
Weitere Kostenlose Bücher