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0230 - Im Land der Unheils

0230 - Im Land der Unheils

Titel: 0230 - Im Land der Unheils Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang E. Hohlbein
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den Begriff Nichts wörtlich vorzustellen, geschweige denn es wirklich zu sehen.
    Er wandte sich um, bückte sich und half Bill behutsam auf die Füße. Der Amerikaner krümmte sich und schlug erneut die Hände vor die Augen.
    »Hast du Schmerzen?« fragte Zamorra.
    Fleming schüttelte den Kopf. »Nein. Aber… ich bin blind. Ich kann nichts mehr sehen. Meine Augen…«
    »Beruhige dich«, sagte Zamorra so ruhig, wie es ihm im Moment möglich war. »Wenn wir hier heraus sind, bringen wir dich zu einem guten Arzt. In ein paar Tagen ist alles in Ordnung.« Sein Blick begegnete dem Nicoles. Er sah das Erschrecken auf ihrem Gesicht und schüttelte stumm den Kopf. Es war eine barmherzige Lüge, und Nicole schien zu begreifen, weshalb er Bill, die Wahrheit verschwieg. Seine Augen waren zerstört. Kein Arzt der Welt würde ihm noch helfen können. Aber das konnte er ihm unmöglich sagen. Nicht jetzt.
    »Wir müssen weiter«, murmelte er. Er trat an den Treppenabsatz heran, blickte sekundenlang schweigend in die Dunkelheit hinab und zog sein Schwert aus der Scheide. Irgend etwas war da unten, das spürte er.
    »Aber ich kann nichts sehen!« keuchte Bill.
    »Nicole wird dich führen«, antwortete Zamorra. Seine Stimme klang ungewohnt rauh. »Nimm ihre Hand. Und bléibt immer dicht hinter mir.«
    Erst jetzt fiel ihm auf, daß die Dunkelheit einem sanften, weißlichgelben Leuchten gewichen war, das gleichzeitig aus Boden, Wänden und Decke zu strömen schien. Fast, als hätte das Gewölbe das tödliche Licht von vorhin gespeichert und gäbe es nun langsam wieder ab. Trotzdem konnte er nicht allzuweit sehen. Sein Blick verlor sich irgendwo in der Mitte der Treppe in wogenden Schatten.
    »Gehen wir«, murmelte er. Aber obwohl er sich Mühe gab, sich nichts anmerken zu lassen, hatte er Angst, als er den Fuß auf die erste Treppenstufe setzte.
    ***
    Das Wesen lächelte zufrieden. Sein Gesicht glich jetzt vollkommen dem eines Menschen, und einzig ein Blick in seine Augen, hinter denen ein diabolisches, mörderisches Feuer zu glühen schien, hätte seine wahre Natur noch verraten können. Es stand noch immer starr und unbeweglich über dem Tisch und betrachtete den buntbedruckten Spielplan. Die erste Runde war vorüber. Es hatte zugeschlagen und auf die Reaktion der Gegner gewartet. Sie war heftig gewesen, überraschend heftig, aber es war damit fertig geworden. Wenn das alles war, was die Menschen aufzubieten hatten, brauchte es nicht beunruhigt zu sein.
    Die Position der drei winzigen Figuren hatte sich abermals verändert. Noch lag ein gutes Stück zwischen ihnen und dem Feld, auf dem die nächste Überraschung auf sie warten würde, aber die Entfernung schrumpfte bereits zusammen.
    Das Wesen beugte sich tiefer über das Brett und berührte ein zweites Feld, und auch hier entstand diese seltsame, bewegungslose Bewegung.
    Dieses Feld war weit von den Figuren entfernt, und zwischen ihm und ihnen lag die erste, tödliche Falle. Aber das Wesen hoffte, daß sie sie überwinden würden. Sollten sie bereits an der ersten Falle scheitern, waren sie sowieso unwürdig, weiter mit ihm zu kämpfen.
    Es zögerte einen Moment, griff dann nach der kleinen Pappschachtel neben dem Spielplan und nahm eine vierte Figur hervor. Sie war roh und ungeformt, aber noch während es sie betrachtete, begann sie sich zu verändern…
    ***
    Die Treppe zog sich endlos in die Tiefe. Zamorra hatte irgendwann auf halber Höhe aufgehört, die Stufen zu zählen; es mußten weit über tausend sein, vielleicht zweitausend. Seine Beine und sein Rücken schmerzten, und das Schwert, das er so fest umklammerte, daß die Knöchel weiß hervortraten, schien mit jeder Sekunde schwerer zu werden. Hinter ihm erklangen Bills und Nicoles keuchende Atemzüge. Für sie mußte der Weg noch weitaus beschwerlicher sein als für ihn. Bill, der sich blind vorwärtstastete und häufig ins Stolpern kam, und Nicole, die seine Hand führte und um ihr beider Gleichgewicht kämpfen mußte. Sie hatten miteinander geredet, zu Anfang, aber das Gespräch war nach und nach eingeschlafen, war mit jeder Stufe, die sie weiter in die Tiefe stiegen, mehr versiegt, bis ihr Marsch schließlich zu einem blinden Dahinstolpern geworden war. Sie wußten nicht, wieviel Zeit seit Betreten des geheimnisvollen Gewölbes vergangen war; vermutlich weniger, als sie glaubten. Aber es hätte sie nicht gewundert, wenn die Treppe geradewegs in die Hölle hinabgeführt hätte.
    Oder Schlimmeres…
    Irgendwann, nach

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