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0230 - Im Land der Unheils

0230 - Im Land der Unheils

Titel: 0230 - Im Land der Unheils Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang E. Hohlbein
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Beine mußten ausgestreckt eine Spannweite von mehr als zehn Metern haben, und die acht faustgroßen, halbkreisförmig angeordneten Augen funkelten die drei Eindringlinge boshaft an. Aus dem Unterkiefer der Bestie wuchsen zwei armlange, messerscharfe Fänge.
    Zamorra unterdrückte den Ekel, den der Anblick in ihm auslöste, und wich zwei, drei Schritte in den Gang zurück, wobei er Bill und Nicole vor sich hertrieb. Der Stollen war zu eng, als daß die Bestie sie verfolgen konnte.
    »Mein Gott!« keuchte Nicole.
    »Was ist los?« fragte Bill noch einmal. »Warum sagt mir niemand, was los ist!«
    »Eine Spinne«, antwortete Zamorra mit erzwungener Ruhe. »Im Saal vor uns hockt eine Spinne. Ein ganz besonders niedliches Exemplar.«
    »Und?« fragte Bill. »Warum schlagt ihr sie nicht tot?«
    Nicole wollte etwas sagen, aber Zamorra schüttelte rasch den Kopf. »Sie ist zu groß, Bill. Mit Gewalt ist da nichts zu machen.«
    Flemings Unterlippe begann zu zittern. »Zu groß«, flüsterte er. »Ein Monster, wie? Mein Gott, wenn ich nur sehen könnte. Wenn ich nur mein Augenlicht wiederhätte!«
    Ist es jetzt soweit? dachte Zamorra. Er wußte, daß der Zusammenbruch früher oder später kommen mußte.
    Kein Mensch würde es so einfach verwinden, sein Augenlicht zu verlieren. Bill hatte bis jetzt ein nahezu übermenschliches Maß an Selbstbeherrschung aufgebracht. Aber irgendwann würde sie aufgebraucht sein.
    »Bill«, flüsterte er sanft. »Nicht. Es hat keinen Sinn, wenn du dich quälst. Irgendwie kommen wir hier schon heraus.«
    Er merkte sofort, daß er genau das Falsche gesagt hatte. Aber es war zu spät. Die Worte ließen sich nicht mehr rückgängig machen.
    Bills Gesicht begann zu zucken. Er hob die Hände, ballte sie zu Fäusten und starrte Zamorra aus weit aufgerissenen, blinden Augen an. »Es hat keinen Zweck!« keuchte er, »Du hast gut reden. Du hast ja dein Augenlicht noch. Du kannst ja noch sehen! Aber ich bin blind! Blind! Verstehst du das, Zamorra? Blind! Ich kann nicht mehr sehen! Ich werde nie wieder sehen können!«
    »Bill, bitte…« Zamorra berührte ihn sanft an der Schulter, aber Bill schlug seine Hand mit einer wütenden Bewegung zur Seite und taumelte ein paar Schritte zurück. »Ich bin blind!«, schrie er immer und immer wieder, als würde er erst jetzt wirklich begreifen, was mit ihm geschehen war. »Ich kann nicht mehr sehen!« Plötzlich fuhr er herum, rannte ein paar Schritte und prallte wuchtig gegen eine Mauer. Zamorra lief rasch zu ihm hinüber und half ihm auf die Füße, aber Bill schlug seine Hände abermals beiseite. »Laß mich!« kreischte er mit überschnappender Stimme. »Meine Augen! Oh Gott, meine Augen!«
    Zamorra riß ihn mit einer wütenden Bewegung zu sich heran und schlug ihm zwei- dreimal mit der flachen Hand ins Gesicht. Bills Kreischen ging in ein würgendes Schluchzen über. Plötzlich erschlaffte er, sank in die Knie und krümmte sich wimmernd zusammen.
    Zamorra winkte Nicole zu sich heran und stand auf. »Kümmere dich um ihn«, murmelte er.
    Nicole nickte stumm. Ihr Gesicht wirkte grau. Es war das erste Mal, daß einer von ihnen Bill in einer derartigen Verfassung sah. Aber letztlich war auch Fleming nur ein Mensch. Und für jeden gibt es eine Grenze des Erträglichen.
    Er wandte sich langsam um, ging bis zum Stollenende zurück und betrachtete lange und schweigend den reglosen Koloß im Zentrum des Netzes. Er zweifelte nicht daran, daß das Ungeheuer ihre Anwesenheit längst entdeckt hatte. Es wartete geduldig, daß sie sich herauswagten. Es hatte Zeit. Früher oder später würden sie aus ihrem sicheren Versteck hervorkommen müssen. Zamorra spielte einen Moment lang mit der Idee, zurückzugehen und einen der anderen Wege zu nehmen, aber er verwarf den Gedanken fast augenblicklich wieder. Vielleicht würden sie die Spinne umgehen können, aber dafür würden andere, vielleicht schlimmere Monster auf sie warten. Nein - sie mußten hier durch, ganz egal, wie.
    Vorsichtig machte er einen Schritt in den Raum hinein, jederzeit bereit, in den Gang zurückzuweichen. Aber das Ungeheuer rührte sich immer noch nicht. Er machte noch einen Schritt, näherte sich dem Netz und berührte den schwarzglänzenden Faden behutsam mit der Schwertspitze.
    Obwohl er darauf vorbereitet gewesen war, überraschte ihn die plötzliche Bewegung. Die Riesenspinne schoß mit phantastischer Geschwindigkeit auf ihn zu. Ihre Bewegungen waren nicht einmal sonderlich schnell, aber ihre ungeheure

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