0247 - Vampir-Terror
entschlossen, die handtellergroße, silbrige Scheibe offen zu tragen. Mehr als den Kopf schütteln konnten die Leute nicht. Und Nicole lenkte ohnehin fast alle Blicke auf sich.
»Ich habe das Gefühl«, sagte sie, »daß das Schicksal sich gegen uns verschworen hat. Wo immer wir sind, geschieht etwas. Komm, Cherie, laß uns weitergehen. Die Polizisten da drüben gibt es nicht.«
Zamorra atmete tief durch. »Ich fürchte, es gibt sie doch«, sagte er. »Ich schätze, es wurde wieder eine der Leichen gefunden.«
Nicole wußte, was er damit sagen wollte. Schließlich hatte sie auch die Zeitung gelesen.
»Meinst du, es gibt einen Zusammenhang?« fragte Nicole und stellte fest, daß Zamorra bereits den Weg zum Mittelpunkt des Geschehens eingeschlagen hatte wie viele andere Schaulustige, jetzt, da die Absperrung der Straße aufgehoben wurde.
Es war noch relativ früh am Morgen, eine für Zamorra eigentlich ungewöhnliche Zeit. Aber er wollte die Stadt auch einmal morgens erleben. Jetzt bekam er ein Erlebnis besonderer Art serviert.
»Was ich meine«, erwiderte er, »spielt wohl nur eine untergeordnete Rolle. Fühl mal.«
Nicole sah ihn überrascht an, dann legte sie die Hand auf das Amulett. Es vibrierte kaum merklich. Zamorra spürte es durch das Hemd.
Nicole schürzte die Lippen. Es gefiel ihr gar nicht. Sie waren doch wohl nicht dabei, wieder mitten in einen »Fall« zu rutschen? Es kam ihr so vor, als zöge allein Zamorras Anwesenheit die Abenteuer an wie ein Leichenfund die Reporter.
Als sie die Stelle erreichten, war schon fast alles vorbei. Zamorra versuchte noch einen Blick auf die Leiche zu erhaschen, bevor der Deckel des Zinkbehälters geschlossen wurde, aber er konnte nicht viel mehr erkennen, als daß es sich wohl um eine Frau handelte. Er sah sich aufmerksam um, sah die Kreidezeichnung, die die Lage des Mordopfers markierte, sah den Polizeifotografen, der seine Utensilien zusammenpackte. Ein anderes Blitzlicht flammte auf. Ein Mann im grauen Mantel fuhr wütend herum.
Zamorra versuchte sich vorzustellen, was sich ereignet hatte. Langsam griff er wieder zum Amulett. Es vibrierte immer noch sehr schwach, kaum wahrnehmbar. Wenn es eine magische Kraft in der Nähe gab, dann schirmte sie sich sehr sorgfältig ab. Oder sie war weit entfernt.
Oder - das Amulett spielte mal wieder schwach. Aber nach der grellen Entladung und der Vision in der Nacht glaubte Zamorra nicht daran. Es mußte sich in einer Phase befinden, die Hochform verriet. Er hoffte, daß diese Phase lange genug anhielt. In der letzten Zeit hatte das Amulett ihn schon einige Male böse hereingelegt.
Bevor Zamorra sich entschloß, den Mann im grauen Mantel anzusprechen, der offenbar der Boß der Mordkommission war, fiel ihm jemand auf. Ein Mann, der sich die Fundstelle und die nähere Umgebung ebenfalls sehr aufmerksam ansah, der sogar in unmittelbarer Nähe der schwarzen Limousine auftauchte und den Zinksarg anschaute, als könne er durch das Material hindurchblicken.
Es konnte Zufall sein. Aber Zamorra hatte im Laufe seiner Abenteuer gelernt, auch auf Kleinigkeiten zu achten. Selbst unbedeutende Dinge konnten am Schluß entscheidende Wirkungen nach sich ziehen…
Das Interesse des Fremden ging jedenfalls über die normale Neugierde hinaus. Ein Reporter würde sich auch nicht so benehmen, wie er es tat. Zudem war der Chef der Mordkommission in eine hitzige Diskussion mit zwei Zeitungsleuten verwickelt. Einer schoß gerade wieder ein Foto; Zamorra sah in die Richtung und erkannte einen davonfahrenden Streifenwagen, in dessen Font zwei Uniformierte und ein Zivilist saßen.
»Schau mal, Nici«, sagte er und stieß seine Gefährtin an. Doch sie hatte das auffällige Benehmen des Unbekannten auch schon bemerkt.
»Der sondiert«, behauptete sie.
Zamorra nagte an der Unterlippe. Er verfolgte, wie der Mann im grauen Flanellanzug über die Straße schlenderte, sich ein paarmal umsah und verschiedene Stellen fixierte, als könne er da etwas sehen, was anderen verborgen blieb. Dann erreichte er die Kreideumrisse und kratzte sich nachdenklich am Kinn.
Aus einer Eingebung heraus nahm Zamorra das Amulett hoch und berührte damit leicht seine Stirn.
Zwei Gedankenfetzen durchzuckten ihn. Varnae… Meister…
Er konnte nichts damit anfangen. Die beiden Begriffe waren zusammenhanglos. Er versuchte, telepathisch in die Gedankenwelt des Fremden einzudringen, aber über diesen einen Versuch kam er nicht hinaus. Es klappte mit dem Gedankenlesen nicht
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