026 - Der Doppelgänger
er.
Sein Bruder wandte sich um.
»Soll ich Ihnen vielleicht einen kleinen Antrieb geben?«
Gordon wünschte das offenbar nicht, denn er begann gleichgültig die Lehne eines Stuhles abzustauben.
Bobby öffnete die Tür und fand Mr. Superbus auf der obersten Treppenstufe sitzen. Er manikürte sich mit einem Taschenmesser.
»Hat er Ihnen Schwierigkeiten gemacht?« fragte er eifrig und schien sichtlich enttäuscht, als Bobby den Kopf schüttelte.
»Nicht die geringsten.« Er ging in das Zimmer zurück.
»Gehe jetzt fort, Onkel Artur!«
»Versuchte er zu entwischen?« fragte der interessierte Wächter.
Bobby lachte wieder, und Gordon hätte gern gewußt, wo Diana ihre kleine Pistole verwahrte.
»Ob er zu entwischen versuchte? Ich darf wohl sagen, daß er das tat! Sehen Sie nach ihm, Mr. Superbus. Ihren fähigen Händen ist ein besonders schlauer und geschickter Mann anvertraut.«
Mr. Superbus schüttelte besorgt den Kopf und bemerkte vorwurfsvoll:
»Sie sind ein nichtsnutziger alter Onkel Artur, jawohl, ich bin sehr verwundert über Sie.«
Gordon sammelte seine Staubtücher und Wedel und schwankte aus dem Zimmer. Er hatte keine Hoffnung mehr.
»Ja, ich bin ein nichtsnutziger, alter Onkel«, stöhnte er. »Ein nichtsnutziger, alter Onkel!«
22
»Bobby!«
Diana kam mit ausgestreckten Händen auf ihn zu. Hinter ihr sah er einen Fremden in der Diele.
»Hallo, meine Liebe! Ich komme hoffentlich gelegen?«
Mr. Dempsi wurde jetzt sichtbar. Sein schwarzer Sombrero gab ihm ein düsteres Aussehen. Seine Stimme klang leidenschaftlich, und seine Haltung war drohend.
»Meine Liebe?« fragte er. »Wer nennt dich hier ›Meine Liebe‹? Was bedeutet dir dieser Mann, Diana?«
»Mein lieber Dempsi«, sagte sie müde, »dieser Herr -« Aber er warf wütend seinen Hut auf den Boden und schleuderte seinen Mantel in weitem Bogen von sich fort. Bobby erwartete, einen Gürtel mit Messern und Pistolen zu sehen - aber es kam nur eine getüpfelte Weste zum Vorschein.
»Das werde ich nicht dulden«, rief er stürmisch. »Hören Sie, mein Herr? Sie nannten diese Dame ›Meine Liebe‹? Erklären Sie mir das!«
Diana ersparte Bobby die Mühe.
»Dies ist Mr. Selsbury, mein Vetter.« Sie sprach mit einer gefährlichen Ruhe. Anscheinend kannte Mr. Dempsi dieses Anzeichen.
»Ach, dein Vetter! Ich sehe es an der Ähnlichkeit! Dieselben schönen Augen, derselbe feste, aber freundliche Mund, die schlanke Gestalt, die reizenden Hände -«
Bobby war ärgerlich.
»Ich danke Ihnen sehr. Wenn Sie mit der Beschreibung meiner Gestalt und ihrer besonderen Vorzüge fertig sind, haben Sie vielleicht die Güte, mir zu sagen, wer Sie sind?«
Dieser Mann war ihm nicht sympathisch, und er teilte sofort Gordons Abneigung gegen ihn.
»Das ist Mr. Dempsi«, sagte Diana. »Ich habe schon von ihm erzählt.«
Sie sah ihn so bittend an, daß Bobby nicht widerstehen konnte. Er gab sich also den Anschein, als ob er äußerst glücklich wäre, Mr. Dempsi kennenzulernen. Aber trotz größter Anstrengung mißglückte dieser Versuch doch vollständig.
»Würdest du nicht deinen Anzug wechseln, Wopsy - ich meine, oben auf deinem Zimmer?« fragte sie.
Dempsi küßte ihr die Hand.
»Mein angebeteter Liebling - ich gehe! Dein leisester Wunsch ist mir oberstes Gesetz! Mein Herr - Vetter Bobby - entschuldigen Sie mich.«
Bobby zwang sich zu einem freundlichen Lächeln. Dempsi dachte, es wäre ihm schlecht.
Er stieg singend die Treppe hinauf. Er sang »Donna e mobile« glücklich und falsch, als ob seine Kehle gegen seine Freude an dem Wankelmut der Frauen rebellierte.
»Das klingt ja so, als ob man einer Katze auf den Schwanz tritt«, sagte Bobby ganz entsetzt. »Und das ist deine erste Liebe?«
Sie nickte.
»Herrgott, was kann der Kerl nur alles zusammenfaseln! Ich werde verrückt werden!«
»Er ist auf jeden Mann eifersüchtig, der mich anschaut! Er hat sich vollkommen verändert. Sechs Jahre sind aber auch eine lange Zeit. Ich dachte, er könne sich höchstens bessern, denn er war sehr jung. Aber er ist bedeutend schlimmer geworden. Er scheint in schlechte Gesellschaft geraten zu sein, er hat schreckliche Manieren angenommen. Im Ritz-Carlton-Hotel wollte er den Kellner umbringen, weil er ein hübscher Mensch war und Sinn für Humor hatte. Er lächelte, als ich einen kleinen Scherz machte. Aber Bobby - der Doppelgänger!« Sie sah, daß Bobby schon im Bilde war, und seufzte erleichtert auf. Bobby war ihr schon immer als ein starker und tapferer Mann
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