0295 - Grauen hinter festen Türen
direkt vor uns war die Straße blockiert von einer Kette von Polizisten, die winkten und den Verkehr in eine Seitenstraße ableiteten.
»Schalte das Rotlicht für einen Augenblick ein«, sagte ich zu Phil, »damit sie sehen, daß wir zur Innung gehören.« Phil tat es. Der purpurne Schein, der von dem rotierenden Rotlicht auf die Gesichter der Polizisten fiel, verlieh ihnen ein unwirkliches Aussehen, beinahe wie Geister, die versehentlich in Uniform erschienen waren. Aber das Rotlicht erfüllte seinen Zweck. Ein paar von den Cops traten beiseite und winkten uns in eine Autoreihe ein, die geparkt am Straßenrand stand.
»Hallo«, sagte ich »FBI. Leutnant Masterson hat uns angerufen. Wissen Sie, wo wir den Leutnant finden können?«
»Gehen Sie dort durch die Lücke im Bretterzaun, Sir. Sie werden sicher auf jemand von der Mordkommission stoßen, der Ihnen weiterhelfen kann.«
»Danke.«
Wir stapften los. Unterwegs fragte Phil halblaut.
»Warum hat er uns denn so dumm angesehen?«
Ich tippte an seine schwarze Schleife: »Vielleicht war ihm deine Fliege auch zu altmodisch.«
»Ach, du lieber Himmel!« seufzte mein Freund. »Der Smoking! Jetzt wird er wieder denken, die vom FBI hätten nichts anderes zu tun, als beim Diplomatenempfang im Waldorf-Astoria-Hotel herumzustehen, auf Staatskosten teuren Sekt zu trinken und aufzupassen, daß keinem Politiker etwas passiert.«
Hinter dem Bretterzaun war es fast taghell. Ringsum, auf sechs oder sieben Erd- und Sandhügeln, hatten die Leute der Mordkommission Standscheinwerfer aufgebaut, die den Strom über einen Generator von einem der Wagen erhielten. Wir sahen fast ein Dutzend Männer geduckt den Erdboden absuchen. Ein Zivilist, der in der Nähe stand, trat auf uns zu.
»Ich bin Sergeant Jeans«, sagte er. »Wer hat Sie passieren lassen?«
»Keine Angst, Sergeant«, erwiderte Phil, »wir sind weder Reporter noch Publikum. Wfr sind G-men. Wo ist der Leutnant?«
»Da unten in der Grube. Dort drüben führt eine Leiter hinunter. Gehen Sie, bitte, von hier schnurgerade auf die Grube zu und dann scharf nach rechts am Rand der Grube entlang bis zur Leiter, damit Sie uns keine neuen Fußspuren verursachen. Es ist noch nicht alles abgesucht.«
»Selbstverständlich, Sergeant«, sagte Phil.
Wir folgten seiner Bitte und kletterten die Leiter hinab. Unten wimmelte es von Leuten. Aber ein hochgewachsener, schlanker Mann von höchstens zweiunddreißig Jahren löste sich aus der Gruppe und kam uns entgegen.
»FBI?« fragte er. »Ich bin Harry Masterson.«
Es gefiel mir, daß er das »Leutnant« wegließ. Ich hielt ihm die Hand hin und sagte:
»Ich bin Jerry Cotton. Das ist Phil Decker. Was gibt es, Masterson?«
Der Leutnant machte eine Kopfbewegung zu der Gruppe von Männern hin, während er auch Phil die Hand schüttelte.
»Da liegt eine Leiche«, erklärte er kurz und bündig. »Zweifelsfrei Mord. Es ist George Paulsen, den das FBI seit zwei Monaten sucht, weil er in Arkansas aus der staatlichen Treuhandstelle 384 000 Dollar unterschlagen hat.«
***
Es war nachts gegen halb eins, als wir den Chef in seiner Wohnung anriefen, da er das Distriktsgebäude zu dieser Zeit schon verlassen hatte.
»Chef, die FBI-Fahndung nach George Paulsen aus Arkansas kann abgeblasen werden«, sagte ich. »Er ist tot. Von den 384 000 Dollar, die er unterschlagen hat, fehlt im Augenblick noch jede Spur.«
»Erzählen Sie, wie es gekommen ist«, befahl der Chef.
»Wo Paulsen ermordet wurde, steht noch nicht fest«, sagte ich. »Man weiß bisher nur, daß der oder die Mörder ihn zu der Baustelle an der Washington-Brücke brachten, als er schon tot war. Der Arzt der Mordkommission behauptet, daß Paulsen mindestens eine halbe Stunde vor seinem Auffinden schon eine Leiche war.«
»Dann wollte sich der Mörder also lediglich seiner Leiche entledigen, als er Paulsen zu der Baustelle brachte? Oder kann er mit der Leiche dort noch irgend etwas vorgehabt haben?«
»Er hatte es ganz geschickt angestellt, Chef Er warf den Leichnam in eine ausgeschachtete Grube, in die wahrscheinlich Fundamente für den Brückenbau eingegossen werden sollen. Der Mörder schaltete eine Betonmischmaschine ein und schaufelte auch tatsächlich Zement und Sand in die Maschine. Aber da fuhr' oben auf der Straße der Streifenwagen 186 vorbei. Im Wagen saßen außer zwei routinierten Cops auch ein blutjunger Anfänger, der früher mal auf einem Bau gearbeitet haben soll. Er hörte das Laufen der Mischmaschine und wunderte
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