034 - Der Weg nach Westen
»Gott, Mickey«, flüsterte er. »Ich wollte, du könntest das sehen…« Plötzlich begann Dave McKenzie zu frieren. Und er wusste, dass es nicht wegen der klammen Kleider war.
Ein Schrei riss ihn aus der Erstarrung. Jemand packte ihn am Oberarm. Urluk und die Vorhut rannten etwa fünfzig Schritte von ihnen entfernt zum Waldrand. Der Bucklige brüllte, fuchtelte mit den Armen und zeigte nach oben. »Eluu! Eluu…!«
Ein riesiger Schatten fiel auf die fliehende Gruppe. Ein Vogel, groß wie eine B-17 Flying Fortress schwebte heran, ein eulenartiges Vieh mit dunkelbraunen Schuppen. Ein zweiter Eulenvogel, noch über hundert Meter entfernt und mit Rot schimmerndem Schuppengefieder, folgte ihm.
»Gott…«, stöhnte Dave. Etwas in seinem Hirn weigerte sich, die Bilder für Realität zu halten, die seine Sehnerven ihm übermittelten. »O mein Gott…«
Jemand riss ihn am Ärmel seines Pilo- tenanzugs Richtung Wald. Dave stolperte hinter dem Lumpenmann her, konnte aber seinen Blick nicht von dem schuppigen Ungeheuer reißen. Ein wenig fühlte er sich wie im Kino, wo er sich mit Vorliebe den phantastischsten Computeranimationen hingab.
Doch nicht lange fühlte er sich so. Die Luft unter den Schuppenflügeln der Rieseneule rauschte, die Baumwipfel unter ihnen bogen sich, das Gebüsch am Waldrand schüttelte sich durch und die Erde vibrierte, als das Biest mit gespreizten Flügeln und ausgestreckten Greifen auf der Schneise niederging.
Dave sah seine gelben Augen, sah gelblichen Schleim aus seinem gekrümmten Schnabel triefen und er hörte den markerschütternden Aufschrei des Mannes, der im Zangengriff seiner tödlichen Klauen zappelte…
Wie weggefegt der Eindruck einer ge- lungenen Computeranimation. Dave warf sich ins Gestrüpp des Waldrandes, rappelte sich hoch, rannte durch Farnfelder, sprang über Baumstämme, brach durch Büsche und folgte seinen panisch flüchtenden Begleitern. Kalter Schweiß stand auf seiner Stirn, Geäst peitschte ihm ins Gesicht, das Herz in seiner Brust ratterte wie eine überdrehte Turbine, die jeden Moment aus ihrer Verankerung zu springen drohte…
Er versuchte das Grau und Braun der Lumpen der Flüchtenden im Auge zu behalten, um den Anschluss an die Männer nicht zu verlieren. Zwanzig, dreißig Schritte vor ihm rannte der letzte der kleinen Gruppe. Anders als er selbst waren die Exoten es gewohnt, sich im Wald und zwischen Ruinen zu bewegen. Doch die Panik trieb Dave an auf keinen Fall zurückbleiben, auf gar keinen Fall …
Er spürte die Äste nicht mehr, die ihm Gesicht und Hände aufrissen, die Strünke, die gegen seine Schienbeine schlugen und kaum Waldboden und Ruinengeröll unter den Sohlen seiner Stiefel. Nur nicht allein in dieser Wildnis zurückbleiben, nur nicht den Anschluss an die Gruppe verlieren…
Langsam holte er auf. Von fern klang noch immer das Geschrei des Sterbenden… Wie leergefegt war Daves Hirn plötzlich da oben tobte nur noch Angst herum und der Fluchtimpuls füllte jede Faser seines Körpers aus…
Er war jetzt auf gleicher Höhe mit dem letzten der Flüchtenden. Das beruhigte ihn ein wenig.
Doch als wenn der Wald nicht schon düster genug gewesen wäre, verfinsterte er sich auf einmal noch mehr. Ein schwarzes Tuch schien auf Bäume und Unterholz zu fallen. Und auf die rennenden Männer. Ein schwarzes Tuch, das sich rasch vergrößerte.
Instinktiv ließ Dave sich fallen. Über ihm brachen Äste, raschelte Laub und jäh schossen ausgestreckte Krallen herab. Und dann ein Schrei, spitz und langgezogen. Daves Blut wollte gefrieren; einem verfolgten Tier gleich wühlte er sich in Gestrüpp, Moos und Buschwerk hinein.
Der Schrei riss nicht ab, schraubte sich im Gegenteil höher und höher. Durch das Geäst hindurch sah Dave, wie sich die Krallen der Bestie in den Körper des Mannes hinein bohrten. Der zappelte, wand sich und zuckte schließlich nur noch, als die Fänge der Schuppeneule ihn aus dem Unterholz hoben und aus dem Wald rissen.
Dave schloss die Augen. Er zitterte am ganzen Körper. Zusammengekauert blieb er auf dem Waldboden unter dem Gestrüpp liegen. Die Schreie verstummten. Die Schritte der Flüchtenden ebenfalls. Dave rührte sich nicht. Wie ein Tier, das sich tot stellte, lag er da. »O Gott nein…«, stöhnte er. »Nein, nein, nein, nein…«
Irgendwann wagte er es den Kopf zu heben. Er lauschte. In der Stille des Waldes schien der Tod zu lauern. »Cool bleiben«, murmelte er.
»Weg hier. Komm, steh auf, beweg dich…«
In geduckter
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