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034 - Die toten Augen

034 - Die toten Augen

Titel: 034 - Die toten Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Agapit
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Einladung natürlich nicht an.
    Kurz vor dem Tod meiner Eltern hatte sie noch einmal geschrieben, diesen Brief mußte ich irgendwo in einer Schublade haben. Ich suchte einige Minuten fieberhaft und fand ihn endlich. Nun hatte ich Tante Claires Adresse.
    Sofort setzte ich mich an meinen Tisch und begann folgenden Brief:
     
    Liebe Tante Claire,
    voriges Jahr sind meine Eltern gestorben, und nun bin ich ganz allein auf der Welt. Aber das ist nicht der Grund, weshalb ich Dir schreibe.
    Ich muß Dir ehrlich sagen, daß ich Dich schon immer sehr geliebt habe. Besonders seit damals, als Du uns besuchtest, vor dreizehn Jahren.
    So schön, liebenswert und freundlich Du mir damals erschienen warst, habe ich Dich im Gedächtnis behalten. Leider habe ich Dich seither nicht gesehen. Nun bin ich achtzehn, aber ich habe Dich nicht vergessen. Erinnerst Du Dich noch an meine grünen Augen, meine blonden Haare, die den Deinen so sehr ähneln? Ich glaube, auch im Wesen gleiche ich Dir (das dürfte meine Mutter jetzt nicht hören!).
    Du bist nun die einzige lebende Verwandte, die ich noch habe, und Du wirst verstehen, daß ich mich in meiner Verlassenheit an Dich wende.
    Ich habe zwar hier in Paris eine Freundin, Rose, die ich gern heiraten möchte. Wir sind beide arm – meine Eltern haben mir nichts hinterlassen - und können erst ans Heiraten denken, wenn ich genug verdiene. Ich studiere Medizin, und das dauert sehr lang. Sie arbeitet in einem kleinen Geschäft, das ihr nicht gehört, und ich lebe schlecht und recht bei meinem Vormund. Durch kleine Nebenarbeiten (Babysitter) verdiene ich mir etwas Taschengeld.
    Liebe Tante Claire, wie gern würde ich Dich wieder einmal sehen. Dann könnte ich auch Deinen Mann kennenlernen, der sehr klug sein muß, da er Dich zur Frau genommen hat. Ich habe so viel gespart, daß ich die Reise nach England bezahlen könnte.
    Wenn Du einmal wieder auf Reisen bist und nach Paris kommen solltest, mußt Du mich natürlich unbedingt besuchen.
    Ich hoffe wirklich sehr, daß wir uns bald wiedersehen, und grüße Dich sehr, sehr herzlich
    Dein Neffe Ferdinand
     
    So, das war es. Hoffentlich war sie genug betört von meinen Worten, daß sie den deutlichen Hintergedanken nicht übelnahm. Ich konnte sie ja nicht direkt bitten, mir Geld zu geben. Das sollte sie mir schon selbst anbieten, und deshalb mußte ich mit ihr sprechen.
    Ich würde nun ungeduldig auf die Antwort warten. Es schien mir ziemlich sicher, daß sie mich einladen würde. Ich mußte mir noch einen Paß besorgen. Die Reise kostete natürlich einiges, aber ich mußte schon etwas wagen, wenn ich viel gewinnen wollte.
    Ach, wie freute ich mich auf ein Wiedersehen. Auch meinen Onkel kennenzulernen, war mir ein Bedürfnis. Frederik, ja, den hatte ich ganz vergessen. Er mußte nun auch schon achtzehn sein. Der Junge hatte es gut, er durfte immer mit Tante Claire beisammen sein. Dabei war es doch meine Tante!
    Am nächsten Tag erzählte ich Rose, daß wir bald reich sein würden. Wir könnten dann ein Geschäft aufmachen, eine Wohnung einrichten und heiraten. Sie lächelte nur und sagte nichts, außer: „Na, und?“
    Dabei wußte ich, daß sie mich liebte. Um sie zu ärgern, sagte ich ihr, ich würde ein berühmter Schriftsteller werden, anstatt Medizin zu studieren.
    Sie sah zur Decke und verzog spöttisch den Mund. Geduld, meine Kleine, du wirst es noch erleben.
    Vierzehn Tage waren vergangen. Ich wartete immer noch auf die Antwort. Warum schrieb Tante Claire nicht? War sie verreist? War mein Brief verlorengegangen?
    Nein, das konnte nicht sein, sie mußte mir schreiben; sie mußte einfach.
    Wie man sehen wird, antwortete sie mir auch tatsächlich bald.
    Ferdinand C …, der junge Mann mit den grünen Augen, konnte in dem Augenblick, als er seinen Brief schrieb, nicht wissen, daß sich auf dem Schloß des Grafen B. in der Nähe von London tragische Dinge ereigneten.
    Er sollte, wie man sehen wird, bald selbst in die Geschehnisse verwickelt werden. In dem Prozeß, der folgte, und der ganz England erschütterte, wurde er sogar angeklagt, obwohl er sich nichts - oder doch fast nichts  - vorzuwerfen hatte.
     

     

Er war achtzehn und so schön, wie man es als junger, gutgewachsener Mann mit regelmäßigen Gesichtszügen und intelligenten Augen sein kann.
    Seine Eltern waren Engländer, doch von einem spanischen Vorfahren hatte er seine dunklen Augen und Haare geerbt. Er war groß, kräftig und an der Mauer mit einer langen Kette angebunden, die es ihm

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