0364 - Shimadas Höllenschloß
die nötig ist, um wieder Mut zu fassen.«
Um meine Lippen zuckte ein schmales Lächeln. »Und du meinst, daß ich den Mut haben müßte?«
»Ja, das meine ich.«
»Wieso?«
»Schau dich an, John. Du brauchst eigentlich nur in den Spiegel zu blicken. Irgendwie siehst du so deprimiert aus. Niedergeschlagen, würde ich sagen.«
»Das kann schon sein.«
Yakup ging noch einen Schritt auf mich zu und legte mir eine Hand auf die Schulter. »Was ist der Grund?«
Ich antwortete mit einer Gegenfrage. »Ist dir eigentlich nichts aufgefallen?«
»Ja, du bist ohne Jane gekommen.«
»Genau, sie wollte nicht.«
Yakup zeigte sich überrascht. »Was hat sie? Will sie wegen mir nicht kommen?«
»Das glaube ich nicht. Ihr geht es ums Prinzip. Sie möchte allein sein, alles vergessen, und sie will auch mit ihrem Gewissen ins reine kommen. Jane hat mit ihrem Leben gebrochen, wenn du verstehst, was ich meine.«
Auf Yakups breiter Stirn bildeten sich Falten. »Nein, ich verstehe nicht so recht.«
»Es ist ganz einfach. Jane wird von Gewissensbissen geplagt. Sie denkt stets an ihr Leben, das sie einmal als Hexe geführt hat. Das ist zwar vorbei, aber nicht vergessen, wenn du verstehst.«
Yakup nickte bedächtig. »Ja, ich begreife dich und auch sie. Jane kann es wohl nicht überwinden, daß sie damals als Hexe Taten begangen hat, für die sie sich jetzt schämt.«
»So ist es.«
»Und was hast du getan, um ihr zu helfen?«
Eine gute Frage hatte er mir da gestellt. Ich hob die Schultern.
»Nichts habe ich getan, gar nichts. Ich konnte ihr nicht helfen. Ich habe es nur versucht, aber es gelang mir nicht, sie zu überzeugen. So sieht es aus.«
Yakup schwieg. Ich hätte gern einen weiteren Kommentar von ihm gehört, aber er blieb ruhig. Die Hände hielt er gegeneinander gelegt, und plötzlich schaute er auf. »Ja, John Sinclair, du mußt dich damit abfinden, wie sie reagiert hat. Ich kann sie sogar verstehen. Jane Collins ist ein Mensch, der Zeit braucht. Wir Menschen sind Personen mit Fehlern. Wir müssen sie eingestehen, das wird Jane bestimmt getan haben. Sie wird sich zurückerinnern, und tu du mir, dir und ihr einen Gefallen. Forsche nicht nach, laß sie in Ruhe! Sollte sie ihren Schrecken überwunden haben und es auch schaffen, die Depressionen abzulegen, können wir dankbar sein, wenn sie wieder zu dir zurückkehrt. Ich bin sicher, daß sie es irgendwann einmal schafft.«
»Das hoffe ich auch.« Yakup lächelte wieder. »Überzeugend klang es nicht.«
»Nein, das war es auch nicht, aber was ist schon überzeugend, wenn ich ehrlich sein soll? Ich habe zuviel in den letzten Tagen erlebt. Das Verschwinden von Suko und Bill, die Jagd nach dem Würfel, den ich noch immer nicht bekommen habe. Da kommt vieles zusammen, und ich fürchte mich ein wenig davor.«
»Kann ich mir denken, John.«
»Vielleicht wird es mir irgendwann gelingen, sie zu vergessen.«
»Du sollst nicht lügen.«
»Wieso?«
»Du kannst und wirst Jane Collins nicht vergessen. Ebensowenig wie sie dich vergißt. Ihr beide kommt wieder zusammen, und – das will ich dir mit aller Deutlichkeit sagen –, ich bin nicht der Überzeugung, daß Jane Collins alles so einfach abschütteln kann, wie ihr glaubt. Nein, das nehme ich euch nicht ab.«
Ich hatte verstanden. »Du umschreibst doch etwas?«
»Möglich«, gab er zu. »Rede deutlicher.«
»Das will ich gern. Jane Collins ist zu tief in die Dinge verstrickt. Sie hat ein großes Vorleben, wie du richtig erwähnt hast. Sie stand erst auf der anderen Seite, kämpfte gegen die Schwarzblütler, wurde selbst zu einer der ihren und wurde als Verräterin ausgestoßen, um von den anderen gejagt zu werden…«
»Wie gut du Bescheid weißt«, sagte ich. »Ich habe mich informiert. Außerdem hast du mir einiges erzählt. Deshalb gehe ich davon aus, daß man Jane auch weiterhin jagen wird.«
»Und es gibt kaum eine Möglichkeit auf der Welt, sich vor Dämonen zu verbergen«, fügte ich noch hinzu. »So muß man es sehen.« Ich räusperte mich. »Verflucht, ich hätte sie doch nicht so ohne weiteres laufenlassen sollen.«
»Hättest du es denn verhindern können?«
»Kaum.«
»Dann hast du richtig gehandelt. Stell dir vor, Jane wäre bei dir geblieben. Sie hätte dann nur körperlich an deiner Seite gestanden, aber innerlich hätte sie sich von dir getrennt. Zwischen ihr und dir lägen Grenzen.«
Da gab ich dem türkischen Freund recht. Ich glaubte selbst daran, daß ich sie nicht hätte halten können. Mein
Weitere Kostenlose Bücher