0364 - Shimadas Höllenschloß
Jane sogar verstehen. Das entsprach seiner Mentalität und Erziehung.
Für den Fall, daß ich Suko und Bill nicht fand, wollte ich die zahlreichen Freunde des Chinesen informieren, die hier in Frisco lebten und uns bei unserem letzten Kampf gegen die untoten Ninja und die Yakuza-Killer so hervorragend unterstützt hatten.
Diesen Vorsatz behielt ich in Reserve. Zunächst einmal wollten Yakup und ich die Sache allein in die Hand nehmen.
Das Kloster lag in einem Tal. Sogar ziemlich hoch, und es war von Bergen umgeben. Ich sah bereits die typische Form der Gebirgskette und wußte, daß es nun nicht mehr weit bis zum Ziel war. Es hatte stark geschneit. Alles war unter der weißen Pracht begraben. Und wenn sie von den Strahlen der Sonne getroffen wurde, sprühte und funkelte sie an zahlreichen Stellen auf.
Ein herrliches Bild.
Auch um das Kloster herum lag der Schnee dicht und hoch. Mich erinnerte der Anblick an ein Leichentuch.
Die Mauern stachen dunkler vom frischen Weiß des Schnees ab.
Wie tot wirkten die Gebäude, als ich zwischen den jetzt brach liegenden Feldern auf mein Ziel zurollte.
So ähnlich hatte das Kloster auch gewirkt, als ich es zum erstenmal kennenlernte, aber da waren Yakup und ich überfallen worden und hatten auch die Toten entdeckt.
Diesmal tat man mir nichts. Ich konnte meinen Wagen abstellen, stieg aus und lief durch die Kälte die wenigen Schritte bis zum Tor.
Hier oben war es noch kälter als in Frisco, außerdem windiger, aber die Luft war herrlich klar.
Man hatte mich schon erwartet und auch gesehen, denn kurz bevor ichdas Tor erreichte, wurde es geöffnet. Ein Mönch verbeugte sich und begrüßte mich mit den Worten, die mich sofort heimisch werden ließen.
»Sei willkommen, Freund!«
»Danke.« Ich ging an dem Mann vorbei, der trotz des kalten Wetters nur eine braune Kutte trug, wie er sie auch im Sommer anhatte. Meine Schuhe knirschten im Schnee. Starr schaute ich nach vorn durch den Innenhof, der ebenfalls wie unter einer Glocke des Schweigens lag. Hinter und nahe dieser Mauern liebte man die Stille und Ruhe der einsamen Bergwelt. Nicht umsonst hatte man das Kloster in dieser Gegend gebaut.
In meinem Innern fühlte ich eine gewisse Spannung. Woher das kam, wußte ich auch nicht, denn es sah alles normal aus. Nichts deutete daraufhin, daß ich mit einem Angriff zu rechnen hatte.
Vielleicht war es Nervosität, oder ich hatte Angst, den Fall letztendlich doch nicht zu lösen.
Der Mönch geleitete mich bis zum Ziel. Er trug nicht einmal Socken. Seine nackten Füße steckten in Sandalen. Wenn ich ihn ansah, begann ich zu frieren. Wahrscheinlich gehörte er auch zu den Personen, die sich lächelnd und mit bloßem Oberkörper auf ein Nagelbrett legten und dies dann noch als bequem empfanden.
Diese Menschen besaßen eben eine andere Mentalität und Erziehung als ich Europäer.
Im Kloster war es ziemlich warm. Es kam mir sogar ein wenig unnatürlich vor, so daß ich ins Schwitzen geriet.
Die Halle, in der ich stand, kannte ich auch. Damals hatten wir hier einen Toten gefunden.
Der Mönch ließ mich allein. Er verschwand mit einer Verbeugung. »Ich werde Yakup Bescheid geben«, erklärte er.
»Ja, tu das.«
Ich wartete. Lange würde es nicht dauern, das war mir klar. Die Stirn hatte ich in Falten gelegt, meine Überlegungen beschäftigten sich mit trüben Dingen, und ich schaute durch ein kleines Fenster hinauf in den blauen Himmel.
Noch immer zogen die Vögel dort ihre Kreise. Sie waren von einer unterschiedlichen Größe. Ich entdeckte Raubvögel als auch Krähen und Raben. Sie blieben immer dicht beisammen. Ihre Flügelschläge wirkten irgendwie träge, wenn sie sich überhaupt bewegten und sich nicht von den Aufwinden tragen ließen.
Ich dachte an Shimada. Diesen Gedanken verband ich mit der Stille dieser Gegend. Dabei wußte ich auch, daß die Ruhe schlagartig vorbei sein konnte, denn Shimada, die lebende Legende, kündigte sein Kommen nie zuvor an. Urplötzlich war er da, um zuschlagen zu können.
Würde er das auch hier tun?
Ich räusperte mich, atmete tief durch die Nase ein und drehte mich wieder um.
Im ersten Moment erschrak ich heftig, weil Yakup Yalcinkaya plötzlich vor mir stand. Er schaute mich lächelnd an.
»So nervös, John?«
»Ich habe dich nicht kommen hören.«
Er hob die Schultern. »Man hört mich oft nicht, aber das ist nicht tragisch. In diesen Mauern regiert die Stille. Wenn man alles verloren hat, können einem Ruhe und Stille die Kraft geben,
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