037 - Die seltsame Gräfin
Verzweiflung ihr Vorhaben auf. Sie hätte das Glas eindrücken können, aber die einzelnen Scheiben waren kaum einen Fuß breit. Und dann sah sie unten die Hunde. Sie waren durch das Geräusch, das sie machte, angelockt worden und knurrten und heulten nun vor dem Fenster.
Sie wußte nicht, was sie anfangen sollte - sie hatte nichts zu lesen bei sich. Ihre Armbanduhr war stehengeblieben, sie konnte die Zeit nur nach dem Himmel schätzen. Sie ging in dem Zimmer auf und ab, um sich nicht von Furcht übermannen zu lassen. Immer wieder wollte sie die Angst packen, und sie war versucht, laut zu schreien. Aber dann dachte sie nach. Was mochte Lizzy jetzt tun? Wo war Michael Dorn?
»Ob ich mich wohl in ihn verliebt habe?« sagte sie laut und lächelte bei dem Gedanken. Sie hätte niemals geglaubt, daß sie sich gerade in ihn verlieben würde. Lizzy nahm natürlich fest an, daß sie ihn schon immer gern gehabt habe.
Er würde sie hier finden, dessen war sie sicher. Aber wenn es ihm doch nicht gelänge? Sie seufzte schwer, schraubte die Lampe herunter, stützte die Ellbogen auf das Fensterbrett und starrte in die Dunkelheit hinaus. Irgendwo auf der anderen Seite des Hauses mußte der Mond aufgegangen sein. Sie sah das weiße, gespenstische Licht, das immer heller wurde und die düsteren Gegenstände mit seinem Silberlicht überstrahlte. Plötzlich hörte sie eilige Schritte in der Halle unten, ging schnell zum Tisch zurück und drehte die Lampe wieder hoch. Es wurde aufgeschlossen, und der Doktor kam herein. Aber er war nicht betrunken, sein Gesicht war eingefallen, und er zitterte.
»Kommen Sie hier heraus«, rief er und zog sie aus dem Zimmer und die Treppe hinunter in die Halle. »Gehen Sie schnell hinauf und machen Sie das Licht aus«, sagte er zu jemand in der Dunkelheit. Die Frau erschien aus irgendeiner Ecke und eilte hinauf.
»Was ist los, Doktor? Ist etwas -«
»Wollen Sie wohl ruhig sein!« zischte er. »Haben Sie das Licht ausgemacht?«
»Ja«, erwiderte eine verdrießliche Stimme von der Treppe her. »Warum sollten wir uns denn fürchten? Sie waren betrunken und haben geträumt.«
»Ich schlage Ihnen den Schädel ein, wenn Sie noch mal so reden«, sagte er ohne Erregung. »Ich sah ein Auto über den Hügel herüberkommen. Es hielt direkt vor dem Haus. Denken Sie denn, ich bin blind? Gehen Sie in mein Zimmer hinauf, da können Sie die Scheinwerfer sehen. Es stieg einer aus und ging die Mauer entlang. Dann konnte ich ihn nicht mehr entdecken.«
Lois' Herz schlug so wild, daß sie beinahe erstickte.
»Wo ist er jetzt?« fragte die Frau.
»Mund halten!«
Es folgte ein schreckliches, langes Schweigen, das nur von dem entfernten Heulen der Hunde unterbrochen wurde.
»Jetzt ist er hinten!«
Der Doktor hielt noch immer Lois' Arm fest und schüttelte sie leicht.
»Wenn Sie brüllen oder sonst etwas tun, schneide ich Ihnen die Kehle durch! Ich tue auch, was ich sage - haben Sie verstanden?«
»Warum haben Sie sie denn nicht oben gelassen?« brummte die Frau.
»Weil ich sie hier bei mir haben will. Holen Sie mein seidenes Taschentuch, es liegt in meinem Studierzimmer. Bringen Sie mir auch die Eisen - ich will sicher sein.«
Die Frau verließ das Zimmer und kam bald wieder zurück. Plötzlich fühlte Lois, wie er ihr einen Knoten des Taschentuchs in den Mund steckte und es hinter ihrem Kopf festband.
»Wehren Sie sich nicht, es geschieht Ihnen nichts - nur wenn Sie schreien. Geben Sie mir die Eisen.«
»Hier sind sie«, sagte die Frau.
Er ergriff ihre Handgelenke und drehte sie auf den Rücken. Im nächsten Augenblick war sie gefesselt.
»Setzen Sie sich hierher!« Er stieß sie auf einen Stuhl. Dann fühlte er, ob der Knebel richtig saß, und brummte zufrieden.
»Hören Sie! Es klopft.«
Tap, tap, tap, tap!
Geräuschlos gingen die beiden auf den dunklen Hof.
»Wer ist da?« rief die Frau.
Dann hörte Lois eine Stimme, die sie auffahren ließ.
»Ich möchte den Hausherrn sprechen«, sagte Michael Dorn.
26
Es war ein unglückliches Zusammentreffen, daß Michael Dorn gleich von zwei privaten Flugstationen in der Nähe Londons die Nachricht erhielt, daß am frühen Morgen Flugzeuge aufgestiegen waren. Noch schlimmer war es aber, daß er zuerst der Mitteilung aus Cambridgeshire nachging. Durch das Telefon konnte er keine ausreichende Aufklärung erhalten. Erst als er in Morland ankam, erfuhr er, daß der Passagier ein Student aus Cambridge war, der telegrafisch nach Hause gerufen worden war, weil
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