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0408 - Der Gespenster-Galgen

0408 - Der Gespenster-Galgen

Titel: 0408 - Der Gespenster-Galgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Dunkel und drohend. Ebenso schattenhaft ragte ein Galgen zwischen ihnen auf. An ihm baumelte der Gehängte. Sie hatten ihn und das Mädchen überfallen, niedergeschlagen und den Mann aufgehängt. Daß das Liebespaar zu nächtlicher Stunde aufgetaucht war, war ein Glücksfall gewesen. So brauchten die Schemen nicht das Dorf heimzusuchen und dort ihr Opfer zu holen.
    Sie umtanzten den Galgen.
    Düstere Gesänge schufen ein merkwürdiges Kraftfeld. Die Atmosphäre lud sich auf. Energie verstärkte sich, begann zu wirken.
    Das Mädchen hatten die Schemenhaften absichtlich entkommen lassen. So sah es der Plan vor.
    Sie wollten, daß sich jemand für diesen seltsamen Vorfall interessierte…
    Doch jene, die es nichts anging, sahen nichts. Für sie existierte all das nicht. Ihnen fehlte das Auge für die Welt der Unsichtbaren.
    Und wieder verschmolzen die Schattengestalten mit der Dunkelheit…
    ***
    Der perlmuttweiße BMW 635 CSi jagte flügelspoilerbewehrt die Serpentinenstraße hinauf. Die Häuser des Dorfes unten an der Loire blieben zurück. Oben am Hang wirkten die Umfassungsmauern von Château Montagne wie ein Magnet auf den Fahrer des schnellen Coupés.
    Er hatte Post und Zeitungen geholt.
    Wenn Professor Zamorra etwas haßte, dann war es das Lesen von Zeitungen, die Tage und Wochen alt waren. Seine Sekretärin und Lebensgefährtin Nicole Duval und er waren wieder einmal, wie so oft, längere Zeit abwesend gewesen, und in den letzten drei Tagen hatte Zamorra die Zeitungen durchgearbeitet, die sich mittlerweile angesammelt hatten, und größtenteils ungelesen in den Altpapiercontainer geworfen. Es gab nur wenige Dinge, die ihn wirklich interessierten und für die er die Tages- und Wochenzeitschriften abonnierte. Eine große Hilfe war ihm der junge Pascal Lafitte, der mit seiner jungen Frau unten im Dorf wohnte und mittlerweile dâs erste Baby in Arbeit genommen hatte. Pascal sortierte vor, wenn Zamorra und Nicole irgendwo unterwegs waren, und kreuzte interessante Artikel über parapsychische und okkulte Phänomene oder rätselhafte Ereignisse an. Bei ausländischen Zeitungen übersetzte er sie auch, sofern er der Sprache mächtig war, obwohl Zamorra selbst mehrere wichtige Fremdsprachen und zahlreiche Dialekte beherrschte.
    Die aktuellsten Blätter hatte Zamorra gerade von der Post abgeholt. Pascal hatte schon am frühen Morgen ›Auswahl-Lektorat‹ gespielt und einen Artikel mit gelbem Textmarker angestrichen. In der einzigen Gaststätte, die auch vormittags zum Frühstück und Frühschoppen einlud, war genau dieser Artikel Tagesgespräch gewesen. Zamorra hatte durchblicken lassen, daß er die Lafittes für diesen Abend eigentlich gern zu einem erlesenen Wein aus den geheimen Kellergewölben des Châteaus oben sehen würde, und war durchgestartet. Aus dem Gerede der Einheimischen wollte er sich erst dann ein Bild machen, wenn er den Artikel selbst gelesen hatte, und dazu fehlte ihm im Dorf die Ruhe.
    Er fuhr den BMW schnell und sicher. Lange genug hatte er jetzt kein Lenkrad mehr in der Hand gehabt; das Fahren machte wieder Spaß. Sein eigener Mercedes stand immer noch motorlos unten in der Werkstatt, und Zamorra war inzwischen fast sicher, daß er ihn verkaufen würde. Derweil fuhr er Nicoles Luxus-Coupé und fand immer mehr Gefallen an dem eleganten und schnellen Wagen. Daß der seines Katalysators wegen auf bleifreies Benzin angewiesen war und man deshalb zum Tanken ein paar Dutzend Kilometer weit fahren mußte, weil in Frankreich die Bleifrei-Tankstellen immer noch spärlich gesät waren, nahmen sie beide gern in Kauf. Dafür blies der Auspuff nicht mal die Hälfte der Schadstoffe in die Luft, wie es andere Wagen taten.
    Zamorra, französischer Parapsychologe mit spanischen Ur-Urahnen und zusätzlich amerikanischem Paß, ließ den Wagen über die stabile, hölzerne Zugbrücke des mauerumgebenen Grabens rollen und brachte ihn im gepflasterten Innenhof zum Stehen. Vor dem Haupttrakt des Châteaus, das vor fast tausend Jahren schon erbaut worden war und mit seiner Synthese aus mittelalterlicher Burg und neuzeitlichem Schloß auch heute noch schön wirkte, ragten Baugerüste auf. Das Château wurde wieder instandgesetzt. Ein dämonischer Angriff hatte es zu einem großen Teil ausbrennen lassen, Zamorras EDV-Anlage war zerstört worden, und Nicole und er hatten in einen Seitentrakt umsiedeln müssen, in dem sich auch die Dienerschaft in Gestalt des alten, zuverlässigen Raffael Bois behaglich fühlte. Zu Zamorras

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