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0426 - Palast der Schattenwürger

0426 - Palast der Schattenwürger

Titel: 0426 - Palast der Schattenwürger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Spinner war.«
    Ich ließ ihn reden. Es tat ihm wahrscheinlich gut. So schleppte ich ihn durch die Dunkelheit und wartete darauf, daß wir bald eine dieser Fensteröffnungen sehen würden.
    Aber das dauerte.
    Allmählich hatte ich den Eindruck, daß Selim mit uns spielte. Wir hätten schon längst die Mauer erreichen müssen, aber die Halle wollte und wollte einfach kein Ende nehmen.
    Irgendwas stimmte da nicht.
    Als der Amerikaner anfing, Lieder zu singen, weil er nicht mehr wußte, was er noch sagen sollte, blieb ich stehen. Sein Yankee Doodle endete mit einem Mißklang, und er klammerte sich an meiner Schulter fest. »Ist es jetzt soweit, John?«
    »Wie weit?«
    »Läßt du mich jetzt krepieren?«
    »Unsinn!«
    Er lachte. »Das kannst du aber ruhig.«
    »Ich habe noch nie jemand sterben lassen, und es hat auch immer eine Chance gegeben.«
    »Nur eben heute nicht.«
    »Abwarten.«
    »Wie lange noch, Alter? Ich fühle meine Wunde kaum mehr. Da rinnt es raus wie aus einer angeschnittenen Tomate. Das Taschentuch ist voll Blut. Los, geh weiter und laß mich hier!«
    Er gab mir einen Stoß. Ich taumelte, er ebenfalls, und Max fiel zu Boden.
    Stöhnend blieb er liegen. Sein Atem pfiff. Er hielt die Augen geschlossen und seine Hand auf die Wunde gepreßt. Ich konnte sehen, daß es zwischen den Fingern rot hervorsickerte.
    Lange hielt er das nicht mehr durch.
    Es hatte keinen Sinn weiterzugehen. Selim mußte es geschafft haben, den Palast zu verändern. Da konnte ich noch Meilen laufen, ohne ein Ziel zu finden.
    Also warten.
    Ich löschte die Lampe, weil ich keine Lust mehr hatte, ein Ziel abzugeben. Auch der Verletzte hatte dies bemerkt. Ich hörte ihn fragen:
    »Ist das schon die Dunkelheit vom Jenseits, John?«
    »Das will ich doch nicht hoffen.«
    Auch bei normaler Aussprache klangen unsere Stimmen anders. Als würden wir in einen mit Watte gefüllten Trichter reden. Zudem hatte sich in meinen Ohren ein taubes Gefühl ausgebreitet, und hinter der Stirn klopfte es hart.
    Selim war in der Nähe.
    Ich sah ihn nicht, ich spürte ihn nur. Seine gefährliche Aura umkreiste mich. Er gab mir ein Gefühl des Unbehagens, denn als Schatten war er immer schneller als ich.
    Etwas Kaltes streifte meinen Hals.
    Das war der Schatten!
    Bevor er zudrücken konnte, huschte er schon wieder weg. Für einen Moment funkte etwas auf.
    Das Blitzen der geweihten Kette.
    Hatte sie mich gerettet?
    Es mußte so sein, sonst hätte mich der Schatten längst gewürgt. Auch Max Culver spürte, daß etwas in der Nähe lauerte. »John, die sind schon da, zum Henker.«
    »Ich spürte sie.«
    »Und jetzt?«
    »Warten wir mal ab…«
    »Es gibt nicht mehr viel zu warten.« Aus dem Dunkel und von allen Seiten gleichzeitig ertönte die Stimme des Marabut. »Hier ist das Ende eures Lebenswegs. Ich habe mich entschlossen, euch beide zu vernichten. Ich werde mein Spiel beginnen…«
    »Einen Moment noch!« schrie ich, weil ich sichergehen wollte, auch verstanden zu werden.
    »Was willst du?«
    Ich backte erst mal kleine Brötchen. »Wir haben eingesehen, daß unsere Möglichkeiten erschöpft sind. Du bist stärker als wir…«
    »Das wußte ich schon immer. Nicht umsonst haben mich die Menschen angebetet.«
    »Ein Mächtiger kann aber auch großzügig sein!« fuhr ich fort.
    »Glaub nicht, daß ich euch das Leben schenke.«
    »Das habe ich nicht gemeint.«
    »Sondern?«
    »Ich möchte dich um etwas bitten.«
    »Sag es.«
    »Zeige dich mir!«
    Selim war mißtrauisch. »Du hast mich gesehen!«
    »Das schon. Nur möchte ich dich genau anschauen. Ich möchte meinen Mörder berühren können!«
    Mit vielen Reaktionen hatte ich gerechnet, nur nicht mit seinem Lachen.
    »Menschen!« schrie er. »Menschen! Was seid ihr für seltsame Geschöpfe? Was hast du davon, wenn du mich berührst?«
    »Es ist mein Wunsch!«
    Er überlegte. Und dann reagierte er. Rechts von mir erhellte sich ein Ausschnitt innerhalb der Finsternis. Er zeigte den gewaltigen Umriß der Schattengestalt. Ich sah die Kapuze, das Gewand, die kalten, blauen Augen des Heiligen.
    Und seine Hände!
    Die Linke war leer, in der Rechten aber hielt er seine Flöte fest, das alte Erbstück des Zauberers.
    Er genoß seine Größe und seine Macht. Ich aber schritt zu ihm. Eine sehr demütige Haltung hatte ich angenommen. Das Kreuz pendelte bei jeder Bewegung. Es würde mir hier nicht viel helfen, diese Magie war eine völlig andere.
    Er wartete auf mich.
    Noch vier Schritte, bis ich ihn erreicht hatte. Dann noch

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