043 - Der Teufelskreis
Besorgnis angenommen hatte. „Es ist schon ein paar Jährchen her, da wir in denselben Kreisen verkehrt haben. Wir gehörten sozusagen der gleichen Familie an. Hat es jetzt gefunkt, Jimmy-Boy?“
Aus den Augenwinkeln sah Leary, wie sich der Alte versteifte. In seinem Gesicht zeichnete sich die nackte Angst ab. Endlich hatte er begriffen. Leary weidete sich an der Angst des Alten. Er konnte sie fast körperlich fühlen. Und je mehr sich die Furcht des Bettlers steigerte, um so größer wurde Learys Lustgefühl.
„Ich kenne Sie nicht, Mister“, sagte der Bettler mit belegter Stimme. Er griff in die Tasche und warf Leary den Zwanzig-Dollar-Schein in den Schoß. „Da! Nehmen Sie Ihr schmutziges Geld! Ich möchte aussteigen.“
Leary trat das Gaspedal stärker durch, um den Alten nicht erst auf den Gedanken kommen zu lassen, aus dem fahrenden Auto zu springen.
„Aber, aber, Jimmy-Boy! Junge, du brauchst dich doch nicht zu verstellen. Du weißt, wovon ich spreche. Ich merke es dir an. Warum solltest du denn sonst plötzlich vor Angst zittern? Du fürchtest dich doch vor mir, oder? Dabei möchte ich nur mit dir über die alten Zeiten plaudern. Schade, daß du dich nicht mehr an mich erinnerst.“
„Doch!“ sagte der Bettler, und es klang etwas gefaßter. „Ich glaube mich an Sie zu erinnern, Leary. Sie sind ein Voyeur besonderer Art. Sie spielen bei den Menschen Schicksal, stürzen sie ins Unglück und weiden sich dann an ihrem Schmerz.“
„Wie habe ich es genossen, als dich damals unser Oberhaupt aus der Familie ausstieß“, sagte Leary und nickte in seliger Erinnerung. „Du hast dem Fürsten der Finsternis ein Mädchen verweigert, das du selbst begehrtest. Eines der sträflichsten Vergehen, Jimmy-Boy. Zur Strafe wurdest du aus der Schwarzen Familie ausgestoßen und wurdest noch mit einem körperlichen Makel versehen. Wie lebt es sich mit zu kurzen Armen, Jimmy-Boy’?“
„Was wollen Sie eigentlich von mir, Leary?“ fragte der Bettler.
Leary hob die Schultern. „Nur eine kleine Spazierfahrt machen und über die alten Zeiten reden. Wie würde es dir am Hafen gefallen?“
„Lassen Sie mich aussteigen!“ „Nicht doch, Jimmy-Boy!“ sagte Leary mit gespielter Empörung.
Dann ließ er plötzlich die Maske fallen. Er konnte der Erregung, die ihn erfaßt hatte, und sich ständig steigerte, nicht mehr länger Herr werden.
„Du und ich, Jimmy-Boy, wir werden zusammen am Hafen einige herrliche Minuten verbringen“, sagte Leary mit heiserer Stimme. „Ich kenne dort eine Stelle, wo wir ungestört sind. Niemand wird uns in die Quere kommen, wenn wir uns unterhalten. Und sei unbesorgt, es wird niemand da sein, der deine Schreie hört!“
Der Alte machte eine blitzschnelle Bewegung, die ihm Leary nie zugetraut hätte, und riß die Wagentür auf. Bevor er jedoch noch aus dem fahrenden Wagen springen konnte, hatte sich Leary über ihn gebeugt, die Wagentür zugezogen und ihm einen Faustschlag hinter das Ohr versetzt.
Der Alte stöhnte auf.
„Lassen Sie mich in Ruhe, Leary!“ bettelte er. „Mit mir kann Ihnen das doch keinen Spaß machen. Ich habe Ihnen nichts zu geben. Ich bin nur ein alter, unbedeutender Mann, dem niemand eine Träne nachweinen wird.“
„Mach weiter so, Jimmy-Boy!“ verlangte Leary. „Komm, du hast noch mehr zu geben! Zeig, was du kannst! Ich weiß, ich fühle es, daß du ein großes Repertoire hast. Du bangst um dein Leben. Ist es nicht so? Du glaubst, ich mache mit dir Schluß. Glaubst du nicht, daß ich dazu imstande wäre, dir das einzige zu nehmen, was du besitzt?“
„Doch!“ krächzte der Bettler.
Er machte wieder Anstalten, die Wagentür zu öffnen, aber Leary versetzte ihm erneut einen Schlag, der ihn in den Sitz zurückwarf.
„Ich traue es Ihnen zu. Ich traue Ihnen alles zu, Leary. Aber warum gerade ich? Ich bin ein Niemand.“
„Du bist große Klasse, Jimmy-Boy!“
Leary hielt den Wagen zwischen den Lagerschuppen an. Die Scheinwerfer des Chevrolet hatten das Kipptor einer Garage erfaßt. Leary sprang aus dem Wagen, rannte auf das Kipptor zu und klappte es in die Höhe. Als er zum Wagen zurückkam, wollte der Alte gerade fliehen.
Leary schlug ihn nieder, daß er stöhnend und benommen liegenblieb, ergriff ihn dann unter den Armen und schleppte ihn in die Garage. Dort ließ er ihn zu Boden sinken.
Der Alte kam langsam hoch, stützte sich auf seine Stummelarme und blinzelte in die Scheinwerferkegel des Wagens. Als er sah, wie Leary mit einer schweren
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