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0445 - Die Macht des Träumers

0445 - Die Macht des Träumers

Titel: 0445 - Die Macht des Träumers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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vergaß er nie wieder.
    Inzwischen hatten selbst Uschi und Monica sich damit abgefunden, daß Julian so ungeheuer rasch heranwuchs. Sie hatten sich damit abfinden müssen, daß es das väterliche Erbe war - und darüber sprach Tendyke niemals. Er ließ sich auch nicht telepathisch aushorchen…
    »Wie wird das alles enden?« fragte Uschi, nachdem Julian sich an diesem Abend zur Nacht verabschiedet hatte. »Was wird aus ihm, Rob? Wird der Rest seines Lebens ebenso rasch vonstatten gehen wie sein Wachstumsund Entwicklungsprozeß? Wird er in zwei oder drei Jahren schon ein gebrechlicher, zitternder Greis sein, an dessen Grabkreuz wir ein weiteres Jahr später stehen?«
    »Sei unbesorgt«, versicherte Tendyke. »Diese spontane Entwicklung wird sich bald normalisieren. Versuch einfach, den Vorteil zu sehen - es verkürzt auch unseren Aufenthalt in dieser wilden Einsamkeit beträchtlich. Wir werden uns bald wieder unter Menschen zeigen können. Dann wird Julian so weit in sich gefestigt sein, daß er sich seiner Haut zu wehren weiß. Dann brauchen wir nicht mehr Verstecken zu spielen. Dann kann er sich dämonischer Attacken erwehren. Noch kann er es nicht, noch hat er nicht entdeckt, was alles in ihm steckt - und in diesem Fall kann ich ihm auch kein Lehrer sein.«
    Uschi seufzte. Sie lehnte sich an den Mann, den sie liebte. »Diese Einsamkeit«, sagte sie. »Sie ist nicht gut für ihn. Er ist jetzt in einer Entwicklungsphase, wo er nicht nur Spielkameraden braucht, die er niemals hatte, sondern wo er auch zwangsläufig beginnen muß, sich um das andere Geschlecht zu kümmern.«
    »Er wird euch beiden nicht nachstellen«, sagte Tendyke. »Er weiß nur zu gut, daß es Inzest wäre, und den verabscheut er. Zumindest in dieser Hinsicht ist Julian recht normal entwickelt.« Er lächelte.
    »Trotzdem. Normal wäre eine Freundin, die erste Liebe, die ersten Enttäuschungen. Das alles nehmen wir ihm, indem wir ihn hier praktisch gefangen halten.«
    Der Abenteurer schüttelte den Kopf.
    »Nein, Uschi. Wir nehmen ihm nichts. Wenn es soweit ist, wird er es sich selbst holen. Vergiß nicht, daß er in vielen Dingen anders ist als normale Menschenkinder. Er verarbeitet vorläufig nur Wissen und Philosophien, er lernt sich selbst kennen und das Potential, das in ihm steckt. Später wird er sich auch um Mädchen kümmern. Aber nicht jetzt, Uschi. Er hat jetzt noch andere Interessen.«
    »Da wäre ich mir gar nicht so sicher«, warf Monica ein. »Er stellt Fragen. Okay, für einen Fünfzehnjährigen ist das normal… weshalb, zum Teufel, grinst du jetzt so unverschämt?«
    »Weil du ihn gerade als Fünfzehnjährigen bezeichnet hast, und das hast du nicht bewußt gesagt, sondern es ist dir einfach so herausgerutscht, weil du ihn wirklich so siehst. Du beginnst seine rasende Entwicklung zu akzeptieren, und das ist auch gut so.«
    »Finde ich gar nicht!« protestierte Monica. »Es kann nicht gut sein, weil es unnormal ist.«
    Tendyke lächelte. »Für mich ist es auch neu. Ich habe mir früher auch nicht vorstellen können, daß eine solche Entwicklung möglich ist. Ich habe mich daran gewöhnt, ihr zwei gewöhnt euch ebenfalls daran. Ändern kann es niemand, also müssen wir es akzeptieren.«
    »Aber du spielst dich immer als den Allwissenden auf, der niemanden an seinem Wissen teilhaben lassen will!« beschwerte Monica sich. »Weißt du, daß ich in meinem Neffen zeitweise ein Monstrum gesehen habe?«
    »Natürlich weiß ich es«, sagte Tendyke. »Aber es wird bald vorbei sein. Die Zeit, die unsere Uhren und Kalender anzeigen, spielt für Julian keine Rolle. Für uns ist er noch kein Jahr alt, für ihn aber sind es etwa fünfzehn oder vielleicht schon sechzehn Jahre. Er entwickelt sich so schnell, daß er lernen und denken muß, und deshalb findet er für alles andere noch keine Zeit. Immerhin - er ist fähig zu spielen. Das dürftet ihr ja wohl mitbekommen haben.«
    »Ja…«
    »Zumindest in dem Punkt ist er also normal«, sagte Tendyke. Er erhob sich. »Mal sehen, was er macht.« Er ging zu Julians Zimmer, unter dessen Türspalt kein Licht mehr hervordrang. Leise öffnete er die Tür. Durch das offen stehende Fenster drang so viel Mondlicht in das Zimmer, daß er den Jungen sehen konnte, der sich unruhig im Hel! hin und her bewegte. Er schien einen schweren Traum zu haben.
    Aber Tendyke dachte sieh nichts dabei. Alpträume kamen vor, und wenn Julian Hilfe brauchte, daraus zu erwachen, würde er sich entsprechend bemerkbar machen.

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