0469 - Tödlicher Flammengruß
imaginäre Figur, die irgendwo schwebte und keine Gestalt bekommen hatte, die sich aber irgendwann gegen ihn stellte.
Das zweite Ich kämpfte gegen das erste.
Herbert atmete schwer. Sein Blick fiel in die Tiefe der Halle hinein. Er sah die zahlreichen, einen Wirrwarr bildenden Treppen, die Kreuzungen der Stufen, die Podeste, manche dunkel, andere vom matten Schein der Lichter berührt, und das Licht der Flammen verschwand in seiner Klarheit. Es wurde für ihn zu einem Brei.
Er spürte den inneren Druck. Schwer lastete er auf seiner Seele. Die Angst war da. Sie schien die Seele regelrecht aufzufressen, sie zu zerstören. Er atmete schwer, der Schweiß wurde zu einer zweiten Schicht, und er dachte daran, daß er dem Befehl widerstanden hatte.
Dennoch wollte er nicht länger bleiben. Herbert Friday hatte genug gesehen. Dieses Haus war nicht normal. Da lauerte das Grauen, auch wenn es nicht sichtbar war.
Hier reagierte das Böse im Unterbewußtsein und hatte als äußeres Zeichen das Feuer gesetzt.
Herbert wollte zurück in sein Büro. Er brauchte jetzt einfach Stunden, vielleicht auch Tage, um über die Dinge nachdenken zu können. Er mußte sie sortieren, richtig einordnen und konnte erst dann seine Entscheidungen treffen.
Doch man ließ ihn nicht.
Bisher hatte er angenommen, allein in der Halle zu stehen. Wie sehr er sich irrte, hörte er daran, als plötzlich Schritte aufklangen. Sie waren nicht sehr laut gesetzt, aber sehr genau zu hören, als würden sie kleine Echos abgeben, die ihm befahlen, stehenzubleiben.
Und er blieb stehen.
Noch sah er den Ankömmling nicht, obwohl er die Schritte vernahm. Der Fremde hatte die Größe der Halle ausgenutzt. Er konnte sich bewegen, ohne gesehen zu werden.
Und er kam näher…
Die Echos der Tritte bekamen einen anderen Klang. Lauter und auch zielstrebiger. Dieser Fremde, der näher kam, wußte, was er wert war. Er ging, wie der Besitzer eines Hauses gehen mußte, und Herbert Fridays Angst wuchs mit jeder Sekunde.
Noch hatte er den Fremden nicht entdecken können. Wahrscheinlich gelang es diesem, die Geländer der zahlreichen Treppen für seine Deckung auszunutzen, möglicherweise ging er auch geduckt, aber die Richtung behielt er bei.
So näherte er sich dem Schriftsteller, der versuchte, seine Angst zu unterdrücken.
Friday stand auf dem Boden und lauschte den Echos der Schritte.
Als Autor war es ihm gegeben, Vergleiche zu finden. Auch für sich fand er einen. Er war der Delinquent, der andere der Henker, der sich ihm Schritt für Schritt näherte.
Hatte er auch mit Fridays Stimme gesprochen?
Mit einer fahrig wirkenden Geste wischte der Mann über sein Haar und fühlte dabei die schweißfeuchten Spitzen zwischen seinen Fingern. Angst kann die Seele eines Menschen regelrecht zerstören, sie auffressen, und so ähnlich fühlte er sich in diesen Augenblicken. Es fiel ihm schwer, noch an seine Seele zu glauben, weil er sich wie jemand vorkam, dem man sie geraubt hatte.
Schräg vor ihm befand sich die Treppe. Am Ende der Stufenreihe, wo sich andere von drei verschiedenen Seiten kommend trafen und eine Plattform bildeten, entstand eine Bewegung.
Herbert hatte sie zuvor noch nicht gesehen. Dort mußte der Unbekannte erscheinen.
Viel sah er nicht…
Eine tiefe Schwärze vielleicht, die sich bewegte, als würde eine Fahne im Wind flattern, aber es strich kein Luftzug über die Flammen. Sie brannten ruhig und standen senkrecht.
Der Fremde blieb stehen.
Vom Treppenpodest her hob er sich als Schatten ab. Nicht scharf gezeichnet, eher flatternd, als wäre er in irgend etwas eingehüllt. Er wirkte unheimlich, obwohl Herbert ihn noch aus der Entfernung sah.
Aber er kam näher…
Bis er den Rand der obersten Stufe erreicht hatte, wo er stehenblieb und die Treppe hinabschaute. Es dauerte Sekunden, bis er seine Stimme erhob. Wahrscheinlich wollte er die Erwartung des Autors noch steigern, dann aber meldete er sich.
»Komm zu mir!«
Herbert krümmte sich. Die Stimme war ein Wahnsinn. Sie gehörte einem Fremden und trotzdem ihm.
Fridays Neugierde siegte schließlich über die Angst. Zudem konnte er nicht anders, denn in der Stimme des Fremden hatte ein zwingender Befehl gelegen.
Und so setzte er sich in Bewegung. Zitternd, langsam. Nicht wissend, was ihn letztendlich erwartete.
Er wollte das Geländer nicht anfassen, als er die Stufen hochging. Sein Blick war starr und schräg in die Höhe gerichtet, wo der andere stand und auf ihn wartete.
Wie eine Figur aus einem
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