0475 - 5 Millionen für Mister High
»Er hat uns Sand in die Augen gestreut. Das traue ich ihm durchaus zu. Gerissenheit war schon immer eine von Andys typischen Eigenschaften.«
»Nicht uns gegenüber«, sagte Shearon bestimmt.
»Wir müssen verschwinden«, sagte White. »Dieses Haus ist eine Falle. Wenn High sich auf freiem Fuß befindet, wird es hier schon bald eine FBI-Invasion geben. Ich habe keine Lust, mich dabei schnappen zu lassen.«
»Was schlägst du vor? Wo sollen wir hin?«
»Zu Andy«, sagte White. »Ich muß wissen, ob er uns in den Rücken gefallen ist.«
»Moment«, sagte Shearon. Er eilte in das Arbeitszimmer und kam unmittelbar darauf mit einem kleinen schwarzen Lederkoffer zurück. »Mein Fluchtgepäek«, erklärte er bitter. »Ich hatte es für alle Fälle vorbereitet, glaubte aber nicht, es jemals benutzen zu müssen.«
»Wieviel ist drin?«
»Hunderttausend in bar und einige Wertsachen.«
»Damit kommst du nicht weit,«
»Für den Anfang wird es reichen. Wenn ich nur wüßte, wo Laura steckt.« White blickte auf die Uhr. »Ob die Sache auf ihr Konto geht?« fragte er leise und zweifelnd.
»Welche Sache?«
»Na, Mr. Highs Befreiung!«
»Ausgeschlossen!«
»Ich weiß nicht«, meinte White achselzuckend. -Seine Miene drückte Mißtrauen aus. »Mir gefällt es nicht, daß sie noch nicht zu Hause ist. Da steckt doch etwas dahinter!«
»Sie wollte den Mann bezahlen, der Durban umgebracht'hat«, sagte Shearon leise.
»Sie müßte doch längst zurück sein.«
»Ja, ich bin in Sorge. Verdammt noch mal, im Moment geht wirklich alles schief.«
»Wenn wir nur eine Minute länger hier bleiben, werden uns das die Bullen bestätigen«, meinte White. »Komm jetzt!«
***
Phil und ich kletterten aus dem Wagen. Das Girl war nicht bei uns. Wir hatten sie auf dem Revier gelassen. Uns genügte ihre Anschrift.
Am Straßenrand parkten einige Wagen, aber nicht sehr viele. In dieser ruhigen, gepflegten Villenstraße stellten die Bewohner ihre Fahrzeuge in Garagen ab. Es war eine milde, mondhelle Nacht. Wir konnten von Shearons Haus nicht viel sehen. Es lag im Dunkeln, umgeben von Bäumen und Büschen eines weitläufigen Vorgartens.
»Keine üble Gegend«, bemerkte Phil. Wir zuckten leicht zusammen, als sich von einem der Wagen ein Schatten löste und auf uns zukam. »Gute Arbeit«, sagte Mr. High. »Sie haben mich nicht enttäuscht.«
Es ist nicht gerade leicht, Phil und mich zu überraschen. Aber in diesem Möment machten wir den Eindruck von Leuten, die sich plötzlich dem sechsbeinigen Piloten einer fliegenden Untertasse gegenübersehen. Die Lähmung dauerte nur eine Sekunde. Dann stürzten wir auf Mr. High zu und schüttelten ihm die Hände. Am liebsten hätten wir ihn umarmt, aber selbst in dieser Situation vergaßen wir nicht, daß Mr. High unser Chef war. »Stop!« sagte er lachend. »Sie reißen mir ja die Arme aus den Gelenken!«
»Wie haben Sie es geschafft, den Burschen ein Schnippchen zu schlagen?« fragte ich aufgeregt.
»Es war mein Glück, daß Shearon nie eine seemännische Ausbildung genossen hat. Er hat keine Ahnung, wie man einen guten Knoten macht. Im übrigen war ich schon immer ziemlich geschickt, wenn es darum ging, Fesseln abzustreifen. Ich habe sogar mal einen Artikel darüber geschrieben.«
»Davon wissen wir ja nichts«, meinte Phil erstaunt.
»Wie sind Sie Shearon auf die Spur gekommen?« fragte der Chef.
Wir erklärten ihm mit wenigen Sätzen, was sich ereignet hatte. Mr. High stellte gelegentlich eine Zwischenfrage.
»Wir haben Laura Shearon und Harry Pratt festgesetzt«, schloß ich. »Die beiden werden sich in einem Mordprozeß für ihre Verbrechen verantworten müssen.«
»Diese Shearons!« sagte Mr. High kopfschüttelnd. »Ich frage mich, ob sie wirklich zurechnungsfähig sind. Wissen Sie, daß James Shearon und seine reichen Freunde anfangs nur ein verrücktes Abenteuer suchten? Sie handelten aus einem gewissen Lebensüberdruß heraus, sie waren übersättigt, sie erhofften sich von der Aktion Spannung und Belebung.«
»Ja, ich wußte es«, sagte ich. »Laura hat es mir mitgeteilt. Der Richter wird diese Begründung kaum gelten lassen.«
»Natürlich nicht«, sagte Mr. High. »Ein Abenteuer hört auf, ein Abenteuer zu sein, wenn es das Gesetz verletzt.« Er wandte den Kopf und blickte in den dunklen Garten. »Seit zwanzig Minuten schleiche ich um das Haus herum. Ich wollte hören, was gesprochen wird. Shearon hat Besuch. Einer seiner Besucher, ein kleiner, dandyhafter Mann, ist vor fünf
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