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0491 - Die Wolfshexe

0491 - Die Wolfshexe

Titel: 0491 - Die Wolfshexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Der bärtige Yann-Daq klopfte den Schnee von seinen Stiefeln, klappte den Gewehrlauf auf und entlud die Waffe, ehe er sie auf den Tisch neben der Eingangstür legte. Dann warf er Mütze und Mantel über die Waffe und stapfte zur Theke. Unaufgefordert stellte Hervé, der Wirt, ihm den Glühwein vor die Nase, den er eben aus der Küche geholt hatte, weil er Yann-Daq Plouder schon von weitem durchs Fenster hatte kommen sehen. Ein paar andere Männer sahen interessiert herüber und unterbrachen dafür ihr Kartenspiel. Frauen gab es in Hervés Kneipe nicht. Hier in Landéda war die Welt noch in Ordnung, da saßen die Damen am Spinnrad oder ergingen sich in anderen nützlichen Tätigkeiten, wenn abends die Männer in der Schänke zusammensaßen und die wichtigen Dinge des Lebens, wie Außenpolitik, Fußballergebnisse und tiefschürfende Philosophien über den Sinn des Lebens diskutierten.
    Yann-Daq nippte an seinem Glühwein und verbrannte sich fast die Zunge. »Zum Teufel, mußt du das Zeug immer kochend servieren, Hervé? Eines Tages wird sich noch so ein Weißkittel hier in Landéda ansiedeln müssen und teures Geld für schlechte Medikamente kassieren, bloß weil du’s darauf anlegst, deinen Stammgästen Zunge, Lippen und Mundhöhle zu verbrühen!«
    »Und auf wen oder was hast du heute angelegt?« wollte Hervé wissen, ohne auf Plouders Proteste einzugehen. Er deutete auf den doppelläufigen Schießprügel, den Yann-Daq neben der Tür deponiert hatte.
    Der Bärtige griff in die Hemdtasche und holte die Patronen heraus, die er vorhin aus der Waffe genommen hatte, damit niemand Schaden anrichten konnte, dem es im besoffenen Kopf einfiel, mal ein bißchen mit dem Gewehr herumzufuchteln, nur weil’s gerade mal griffbereit da lag. Er stellte die Patronen aufrecht auf die Theke.
    »Sag bloß, du weißt noch nichts, Hervé«, knurrte er, stellte fest, daß der Glühwein ein wenig kühler geworden war und nahm einen neuen Schluck, um sich aufzuwärmen. Draußen war es saukalt, und mit weiteren Schneefällen war zu rechnen. Zumindest behaupteten das die zweibeinigen Wetterfrösche in Paris über Radio und Fernsehen, und die hatten sich noch nie geirrt, wenn es darum ging, schlechtes Wetter zu prophezeien. Kündigten sie aber Wärme und Sonnenschein an, konnte man sich darauf weniger verlassen.
    »Wovon? Yann-Daq, laß dir doch nicht die Würmer aus der Nase ziehen! Hinter was bist du jetzt schon wieder her?«
    Daß Plouder passionierter Jäger war, wußte jeder in Landéda. Und zum Erstaunen aller hatte er früher damit sogar sein Auskommen gehabt, während die anderen eher vom Fischfang lebten und von den Ferienwohnungen, die sie an Touristen vermieteten. Nur hatte dieses Touristengeschäft mittlerweile wieder nachgelassen, weil sich kaum noch jemand für die Bretagne interessierte, und die Fische waren auch nicht mehr das, was sie früher mal gewesen waren.
    »Sag mal, Hervé, bist du neuerdings stocktaub? Hast du sie noch nicht heulen gehört, diese verdammten Biester? Seit einer Woche geht das schon so! Erst habe ich gedacht, ich würde mich täuschen. Aber dann habe ich auch die Spuren gesehen. Es ist ein ganzes Rudel, Hervé! Wo kommen diese Biester plötzlich her?«
    Verständnislos starrte der Wirt den Jäger an. »Ich weiß nicht, was du hörst. Ich wohne ja schließlich hier im Ort und nicht irgendwo am Ar… pardon, am Ende der Welt, da, wo man sie mit Brettern zugenagelt hat, damit keiner aus Versehen über die Kante fällt!«
    »In meiner kleinen Hütte im Wald habe ich wenigstens Ruhe vor dummen Hunden, zu denen du offenbar auch gehörst«, brummte Poulder gutmütig. »Wenn du nichts Besseres zu tun hast, kannst du mir mal noch einen Topf Glühwein hinstellen.«
    »Aber du hast das Glas doch noch halb voll!«
    »Schon halb leer, meinst du«, verbesserte Poulder. »Aber bis ich den Boden sehe, ist die nächste Portion so weit abgekühlt, daß man sie trinken kann, ohne Verbrennungen dritten Grades zu riskieren!«
    »He, und von welchem Großwild ist nun die Rede?« fragte Hervé, als er mit dem frischen Glühwein zurückkehrte.
    Lenard Cinan hatte sich hinzugesellt, ein etwas jüngerer Mann, der keine Lust mehr hatte, sich von den alten Weißbärten beim Kartenspiel ausnehmen zu lassen. Er hatte heute seine Pechsträhne und verlor ein ums andere Mal. Auch wenn nur um ein paar Sou gespielt wurde, ging das auf die Dauer doch ins Geld, und davon hatte er nun wirklich nicht so viel. »Wölfe, Hervé«, mischte er

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