Big Bad City
1
Die Detectives hatten nicht mal gewußt, daß die beiden Männer sich kannten. Der eine saß in der Verwahrungszelle, weil er einen kleinen koreanischen Lebensmittelhändler erschossen hatte, der ihm partout nicht das Geld in seiner Kasse hatte geben wollen. Der andere wurde gerade in die Zelle geführt. Er war geschnappt worden, als er aus einem Schnapsladen an der Culver und Twelfth stürmte, den er gerade überfallen hatte.
Abgesehen von ihrem Beruf hatten die beiden Männer nichts gemeinsam. Der eine war weiß, der andere schwarz. Der eine hatte blaue Augen, der andere braune. Der eine hatte den Körper eines Gewichthebers, vielleicht, weil er wegen einer anderen Straftat zwei Jahre in einer Haftanstalt im nördlichen Teil des Staates verbracht hatte. Der, der in die Zelle geführt wurde, war ziemlich mollig. Manchmal mußte man auf die Molligen achtgeben.
»Rein mit dir, mach schon«, sagte Andy Parker und stieß ihn in die Zelle. Parker würde später jedem erzählen, der es hören wollte oder auch nicht, er sei natürlich davon ausgegangen, daß die Streifenpolizisten, die die Festnahme vorgenommen hatten, den Täter am Tatort gefilzt hätten: »Woher sollte ich denn wissen, daß er ein Messer im Arsch hatte?« In diesem Fall war »im Arsch« nicht ganz wörtlich zu nehmen. Detective Parker bezog sich auf die Spalte zwischen den üppigen Hinterbacken des Mannes. Aus diesem Versteck hatte er in dem Moment, in dem er den Bodybuilder erblickte, der verdrossen in der hinteren Ecke des Käfigs hockte, ein Klappmesser gezogen. Als Parker sah, daß der kleine fette Zauberer ein Messer aus seinem Arsch zog, knallte er sofort die Zellentür zu und drehte den Schlüssel um. Genau in diesem Augenblick führten Steve Carella und Artie Brown neun Basketballspieler in Handschellen in den Dienstraum. Beide Detectives rochen sofort den Ärger.
Der Ärger bestand nicht darin, daß der pummelige kleine messerschwingende Mann im Käfig einen Polizisten bedrohte. Aber der Bodybuilder befand sich in Polizeigewahrsam und damit auch unter dem Schutz der Polizei. Und jeder Cop im 87. Revier wußte, daß es endlose Prozesse gegen die Stadt hageln würde, weil die Polizei zugesehen hatte, wie ein Schwarzer - ausgerechnet auch noch ein Schwarzer! - in einer verschlossenen - ausgerechnet einer gerade verschlossenen ! - Zelle von einem verrückten fetten Weißen abgestochen wurde, der mit einem Messer die Luft zerfetzte und unablässig schrie: »Ach, ja? Ach, ja? Ach, ja?«
Carella gab einen Schuß in die Decke ab.
»‘ne Sekunde später hätt ich das auch getan«, behauptete Parker später.
»Sie!« rief Carella und spurtete zu dem Käfig.
»Kommt ja nicht auf dumme Gedanken«, warnte Brown die neun Basketballspieler, die zwar nicht Jura studiert hatten, aber bereits von Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs schwafelten, von wegen willkürlicher Verhaftung und Bürgerrechte und dergleichen. Nur für den Fall, daß einer von ihnen auf den Trichter kam, seine mit Handschellen aneinandergefesselten Kumpels in den Korridor zu zerren, zog Brown die Dienstwaffe und baute sich massiv und drohend zwischen den Spielern und dem Holzgeländer auf, das sich zwischen dem Dienstraum und dem Gang draußen befand.
»Ach, ja?« sagte der Messerstecher in dem Käfig wieder und attackierte die Luft. Der Bodybuilder wich weiter zurück. Seine Hände kreisten durch die Luft vor ihm. Dieser Typ hatte schon einige Messerstechereien mitbekommen, und er wartete darauf, daß auf der anderen Seite des Gitters der nächste Schuß dröhnte, hoffte, daß die Bullen ihm helfen und dieses verrückte fette Schwein ablenken würden, das mit dem Messer fuchtelte und »Ach, ja?« schrie. Er hatte nicht den geringsten Schimmer, was das sollte. »Ach, ja?« schrie der korpulente kleine Scheißkerl immer wieder, während er sein Messer vorführte.
»Haben Sie gehört?« rief Carella, der jetzt vor dem Käfig stand. »Lassen Sie das Messer fallen! Sofort!«
»Leg ihn um, Mann!« rief einer der Basketballspieler.
»Ach, ja?« schrie der Fettsack und hieb wieder zu.
Der Bodybuilder riß die blutende Hand zurück, als hätte ihm ein sengendes Feuer die Handfläche verbrannt. Genauso hatte es sich angefühlt. Sein Gesicht wurde aschfahl, als er die Handfläche nach oben drehte und den tiefen Schnitt sah, aus dem vom kleinen Finger bis zum Daumen Blut spritzte. Und nun holte der Messerstecher, der das Blut und die Furcht roch, zum Todesstoß aus.
Parker
Weitere Kostenlose Bücher