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05 - Der Conquistador

05 - Der Conquistador

Titel: 05 - Der Conquistador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
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bedenkenswert. Allerdings nicht im Zusammenhang mit den Tutul Xiu. Du weißt, wie unbelehrbar und streitsüchtig sie sind. Wir könnten uns niemals auf sie verlassen. Im Gegenteil: Sie wären eine zusätzliche Gefahr, die uns in den Rücken fallen könnte! Nein, mein Sohn, bei allem Respekt, den du dir in den vergangenen Jahren verdient hast … das kann und wird nicht geschehen!«
    Ts’onot war betrübt. Der Vorschlag, den er seinem Vater unterbreitet hatte, war nicht seinem normalen Geist entstiegen, sondern seinem Lomob – davon war er felsenfest überzeugt. Umso schwerer wog, dass Ah Ahaual es rundweg ablehnte, überhaupt ernsthaft darüber nachzudenken.
    »Ich unterwerfe mich deinem Urteil, Vater. Auch wenn ich es für falsch halte.«
    ***
    Der Kundschafter beobachtete die vorrückende Streitmacht aus dem Dickicht heraus. Die Farben, mit denen er sich bemalt hatte, machten ihn für ungeübte Augen so gut wie unsichtbar.
    Ich muss den Herrscher verständigen, wie nah sie bereits sind. Und wie entschlossen sie voranschreiten …
    Der Kundschafter wollte sich abwenden und zur Stadt zurückrennen, als plötzlich ein Licht neben ihm erstrahlte. Ein Licht, das von keiner Fackel kam oder aus einer Pfütze, die die Sonne widerspiegelte – sondern aus dem Körper eines Mannes, der wie aus dem Nichts aufgetaucht war.
    Instinktiv duckte sich der Kundschafter, erwartete einen tödlichen Hieb – und war verblüfft, als der strahlend weiße Mann nur seine Stimme erhob. Doch was er rief, kam einem Todesurteil gleich.
    » Hier ist noch einer!« , erklang seine Stimme und hallte wie ein Donnerschlag über das Land. » Holt ihn euch! Er darf nicht entkommen!«
    Dass der Mann in Weiß kein menschliches Wesen war, bestätigte sich, als der Kundschafter in seiner Panik den Schrecken überwand und sich auf die Erscheinung warf …
    … und durch sie hindurch stürzte, als wäre sie nur ein Nebelhauch.
    Als er sich wieder aufgerappelt hatte, sah er sich von Feinden umzingelt, die kurzen Prozess mit ihm machten.
    ***
    »Bislang ist keiner der ausgesandten Kundschafter zurückgekehrt«, sagte Ts’onot zu dem Mann, dem er immer noch einen Gefallen schuldete. Dass dieser nach dem ersten gescheiterten Versuch nicht unablässig darauf drängte, ihn zu erfüllen, ehrte ihn.
    »Das klingt beunruhigend«, sagte Diegodelanda.
    »Es ist beunruhigend.«
    »Was sagt deine Gabe?«
    »Nichts. Das ist das Beunruhigendste von allem.«
    Diegodelanda nickte verständnisvoll. »Dein Vater hat sämtliche Männer der Stadt mobilgemacht und bewaffnet. Ich sah Knaben, die nicht älter als sieben oder acht waren, und Greise unter den Kriegern.«
    »Alle wissen, was auf dem Spiel steht. Jeder muss Opfer bringen. Ich schließe mich nicht aus. Ich bin kein Mann des Kampfes, aber wenn deine Landsleute unsere Stadt angreifen, werde auch ich zur Waffe greifen.« Ts’onot zögerte, bevor er die nächsten Worte an Diegodelanda richtete. »Wo stehst du, wenn es so weit ist?«
    »Ich stehe, wo du stehst«, erwiderte der Mann, der nicht als Maya geboren, aber zum Maya geworden war, im Brustton der Überzeugung.
    Ts’onot sah ihn lange schweigend an. Dann nickte er und sagte: »Ich glaube dir.«
    Diegodelanda wirkte erleichtert und erfreut in einem. »Ich wäre längst tot und vermodert, wenn ich nicht Gnade vor euren Göttern gefunden hätte. Wie könnte ich das jemals vergessen?«
    »Was ist mit deinem eigenen Gott?«
    Diegodelandas Miene verfinsterte sich. »Er hat mich vergessen. Vielleicht werden eines Tages Männer aus meiner Heimat kommen, die keinen Krieg, sondern den christlichen Glauben verbreiten wollen. Aber eigentlich, und das ist meine feste Überzeugung, müssten sie von euch bekehrt werden.«
    Ts’onot erhob sich feierlich von dem Lager, auf dem er gesessen hatte. »Steh auf«, sagte er.
    Diegodelanda erhob sich und sah ihn fragend an.
    »Lass uns unsere Freundschaft besiegeln, wie es Brauch bei uns ist: mit deinem und meinem Blut.«
    Diegodelanda zögerte keinen Augenblick lang.
    Noch in derselben Nacht wurde Ts’onot von Came aus dem Schlaf gerüttelt. Sie stand tränenüberströmt mit einer Fackel in der Hand vor ihm.
    »Was ist passiert, Mutter?« Erst jetzt gewahrte er den Lärm, der an sein Ohr drang.
    »Du musst sofort fliehen!«
    »Fliehen?« Er schlug die Decke zurück und stellte sich vor sie. Seine Hände umfassten ihre Arme, um sie zu beruhigen.
    »Dein Vater«, schluchzte sie. »Sie haben deinen Vater! Und sie drohen ihn

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