0500 - Die Quelle des Lebens
ganzem Herzen, so sehr, daß sie den größten Verzicht auf sich nahm, um ihm das Überleben zu sichern.
Es bestand jedoch die Möglichkeit, daß dämonische Kräfte die Erbfolge zu verhindern versuchten. Mehr als 30000 Jahre lang hatte der Erbfolger in seinen wechselnden Körpern sich gegen die Mächte der Finsternis gewandt, und die Llewellyn-Magie war mächtig. Nie war der Llewellyn so verwundbar wie in der Phase des Generationenwechsels. Das war einer der Gründe, weshalb Lord Saris Zamorra um Hilfe gebeten hatte. Und deshalb sollte Lady Patricia während ihrer Schwangerschaft Llewellyn-Castle nicht mehr verlassen. Sie hatte es trotzdem schon einige Male getan, war unüberschaubare Risiken eingegangen und einige Male in arge Bedrängnis geraten. [1]
Innerhalb der Burg konnte weder ihr noch ihrem Mann etwas geschehen. Dafür sorgte die »M-Abwehr«, wie Sir Bryont das weißmagische Schutzfeld nannte, das wie eine unsichtbare Kugel Llewellyn-Castle überspannte. Magie-Abwehr. Kein schwarzmagisches Geschöpf oder Menschen, die von Schwarzmagiern und Dämonen beeinflußt waren, konnten diese Abschirmung durchdringen. Nach ihrem Vorbild hatte Zamorra später die weißmagische Schutzkuppel erst um Château Montagne und dann um seinen südenglischen Besitz Beaminster-Cottage geschaffen. Auch das Anwesen seines Freundes Robert Tendyke in Florida war derart geschützt.
Einige Male hatten die Höllenmächte in der letzten Zeit versucht, etwas gegen die Erbfolge zu unternehmen. Jedes Mal hatten diese Anstrengungen zunichte gemacht werden können.
Bisher war es also gutgegangen. Und irgendwie konnte Zamorra nicht mehr daran glauben, daß die Dämonischen jetzt noch einen Versuch starten würden, da der Wechsel unmittelbar bevorstand.
Blieb nur noch die »normale« Gefahr, wie sie der Llewellyn in all seinen Inkarnationen über mehr als 30 Jahrtausenden zu befürchten gehabt hatte. Denn jetzt und in naher Zukunft war der Lord völlig hilflos. Im Augenblick war er ein Greis, und später würde er ein Kind sein, dessen Erinnerungen und magische Fähigkeiten erst nach vielen, vielen Jahren wieder erwachen konnten.
In all den Jahren, die Zamorra ihn nun kannte, hatte der Saris immer den Eindruck eines Mannes zwischen 30 und 40 Jahren gemacht. Auf jener Stufe mußte einst der körperliche Alterungsprozeß gestoppt worden sein. In den letzten Monaten aber war der Lord rapide gealtert. In letzter Zeit hatte Zamorra ihn häufiger besucht und diese starke Alterung miterlebt. Inzwischen wirkte der Lord wie ein Hundertjähriger. Sein Gesicht war von Falten durchzogen, sein Haar dünn, spärlich und schlohweiß geworden. Nur in seinen Augen funkelte immer noch der ungebrochene Lebenswille eines Jugendlichen. Mehr denn je erinnerte Saris Zamorra zur Zeit an den Zauberer Merlin. Der war auch viele Jahrtausende alt, wirkte mit seinem weißen Bart trotz seiner sehr aufrechten, stolzen Körperhaltung wie ein alter Greis, aber in seinen Augen leuchtete die ewige Jugend der Unsterblichkeit. Was zählten da schon körperliche Altersmerkmale?
Auch Lord Saris, 265 Jahre alt, brauchte weder Gehhilfe noch Rollstuhl. Er bewegte sich immer noch dynamisch, wenngleich die Bewegungskoordination inzwischen zu wünschen übrig ließ - er hatte zu zittern begonnen. So ganz gehorchten ihm seine Muskeln wohl doch nicht mehr.
Der Anblick erschreckte Zamorra jedesmal aufs neue. Es war nicht leicht, einen Mann, mit dem er über ein Dutzend Jahre in guter Freundschaft verbunden gewesen war, so rapide verwelken zu sehen wie eine Vasenblume, die kein Wasser mehr bekommt. Immerhin hatte Lord Saris ihn seinerzeit sogar in den Clan adoptiert ; seitdem war Zamorra berechtigt, die Llewellyn -Clansfarben und - muster zu tragen.
Und jetzt starb der Freund.
Zamorra und Nicole hatten alle Hilfe versprochen, die sie zu leisten imstande waren, in materieller wie auch in moralischer Hinsicht.
Zamorra fühlte sich ratlos. Wie lange würde er warten müssen, bis der junge Sir Rhett in wiedererkannte als den einstigen Freund seines »Vaters«? Es würde so viel Zeit vergehen, und alles würde ganz anders sein - denn für den jungen Sir Rhett war Zamorra dann nicht der »gleichberechtigte« Freund, sondern eher der gute Onkel von nebenan.
Was würde sich in diesen langen Jahren noch alles ändern?
Eines nicht: Zamorras Aussehen. Er würde dann nicht anders aussehen als jetzt. Denn er war, wenn auch auf eine andere Weise als der Lord, sehr langlebig - und ausgerechnet
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