0501 - In der Betonwüste
erwiderte sie zögernd. „Ich bin legitimierte Schmugglerin."
Simon betrat die Treppe.
„Es gibt nichts zu essen. Im gesamten Gebäude nicht. Ich habe Hunger." Asythia kicherte. „Schade, daß Sie nicht sehen können, was auf der Straße los ist."
„Ich will es nicht sehen", erwiderte der halbtote Simon mit kindlichem Trotz. „Ich bin froh, daß ich es nicht sehen kann."
„Aber ich kann es sehen", erklärte Asythia fröhlich. „Die Straßen sind leer. Überall liegen abgestürzte und umgekippte Fahrzeuge. Viele sind gegen Häuser geprallt oder wurden in Unfälle verwickelt. Ab und zu ziehen ein paar Plünderer durch die Straßen. Sie haben sich längst zu Banden organisiert."
Der halbtote Simon lehnte sich gegen das Treppengeländer. Er kam sich einsam und verlassen vor.
„Warum kümmert sich niemand um uns?"
Asythia antwortete: „Jeden Tag fliegen ein paar Gleiter über die Gebäude hinweg. Über Lautsprecher werden alle, die noch in Ordnung sind, dazu aufgefordert, sich in der Zentrale zu melden.
Alle anderen werden zur Ruhe aufgefordert. Jemand versucht, alles wieder in Ordnung zu bringen. Vielleicht werden wir bald mit Nahrungsmitteln beliefert."
Der Blinde befand sich jetzt mitten auf der Treppe und stieg langsam hinab.
„Soll ich Sie begleiten?" fragte Asythia.
„Das ist mir egal", erwiderte der Dieb.
Sie begann auf der Arkna zu spielen, folgte ihm aber nicht.
Unangefochten erreichte Simon die Zwischenetage.
Das Spiel der Arkna verstummte.
„Sie sollten wirklich aus dem Fenster sehen können", meinte Asythia. „Dunkle Wolken ziehen auf. Ab und zu zuckt ein feuriger Streifen über den Horizont. Dann ..."
Sie unterbrach sich, denn langanhaltender Donner drohte ihre Worte zu übertönen.
„Explosionen!" rief der halbtote Simon erregt. „Das sind Schüsse."
„Sie waren vorher nicht sehr intelligent", sagte sie nachdenklich. „Ich merke es an Ihrer Sprechweise."
„Ich bin klüger als Sie!" behauptete der Blinde.
„Es ist das Wetter", meinte sie beunruhigt. „Das Wetter gerät außer Kontrolle."
Ihre Worte wurden für den halbtoten Simon immer unverständlicher. Er setzte seinen Weg nach unten fort. Ab und zu hörte er sie noch kichern, dann zog sie sich in ein Zimmer zurück und schlug die Tür zu.
Der Verdummte erreichte die große Vorhalle. Abfälle, Trümmer und andere Hindernisse machten ihm das Vordringen zum Ausgang schwer. Eine Katze, die lautlos auftauchte und dann schnurrend um seine Beine strich, versetzte ihm einen Schreck.
Mit klopfendem Herzen erreichte er die Tür.
Glücklicherweise ließ ihn seine Erinnerung nicht im Stich. Er wußte genau, wie es in seiner Umgebung aussah. Die Tür bestand aus Leichtmetall und besaß mehrere kristalline Sichtöffnungen. Sie glitt automatisch nach oben, wenn jemand ein oder austreten wollte.
Doch diesmal blieb das schleifende Geräusch der Filzabstreifer aus.
Die Tür öffnete sich nicht.
Die Automatik war beschädigt oder ausgefallen.
Die Hände des Blinden tasteten über das kühle Material. Von draußen kam wieder das langanhaltende Donnergeräusch.
„Ich will hier raus!" schrie der halbtote Simon. Er hämmerte mit den Fäusten gegen die Tür. Sie bewegte sich nicht. Voller Panik warf der Blinde sich mit seinem Körper gegen die Tür. Es war sinnlos.
Allmählich beruhigte er sich wieder. Ihm fiel ein, daß es ein paar andere Ausgänge gab. Notfalls konnte, er durch einen Luftschacht nach draußen kriechen.
Er tastete sich an der Wand entlang bis zum Lift. Wenig später stansd er vor der Zwischentür, hinter der der zur Versorgungszelle führende Korridor lag. Die Tür ließ sich öffnen.
Heißer Dampf quoll dem halbtoten Simon entgegen. Der Blinde hustete. Er bekam kaum noch Luft. Hastig schlug er die Tür wieder zu. Er lehnte mit dem Rücken dagegen.
Wahrscheinlich, überlegte er, war irgendwo ein Kessel geplatzt.
Oder Wasser verdampfte auf beschädigten Heizröhren.
Wasser!
Der halbtote Simon leckte sich die Lippen.
Abermals öffnete er die Tür und drang ein paar Meter in den Korridor ein. Der heiße Dampf zwang ihn zur Umkehr. Als Simon die Tür wieder schloß, stiegen helle Qualmwolken zur Decke auf.
Doch die konnte der legitimierte Dieb nicht sehen.
Das langsam arbeitende Gehirn des Verdummten begann zu planen.
Simon zog seine Jacke aus und riß, einen Stoffstreifen aus seinem Hemd. Dann zog er die Jacke wieder an und preßte den Stoffetzen vor sein Gesicht. Er zwang sich dazu, langsam zu atmen. Mit
Weitere Kostenlose Bücher