0513 - Sandra und die Mördermaske
entferntes Wehen drang an meine Ohren. »John … bitte… laß es. Du bringst mich um, wenn du sie zerstörst. Du bringst mich dann um …«
Ich stand auf dem Fleck wie angewachsen. Der kalte Regen klatschte gegen meinen Körper, aber ich fror auch noch aus einem anderen Grund. Es war die innerliche Kälte, die in mir hochstieg und meine Kehle eng machte.
Bill war unsichtbar, nur seine Stimme hatte ich vernommen und den drängenden Unterton dabei nicht überhört. Bill mußte sich – wo immer er auch sein mochte – in Schwierigkeiten befinden. Ich durfte diese Tatsache nicht so einfach übergehen.
Leise sprach ich seinen Namen aus. Die Hoffnung, von ihm gehört zu werden, erfüllte sich. Bill gab mir Antwort.
Anders jedoch, als ich es für möglich gehalten hätte. »John, die Maske darf nicht zerstört werden. Du mußt den Körper finden, hörst du? Finde den Körper. Finde ihn – bitte…!«
»Wo, Bill? Wo steckt er? Wo befindet er sich?« Ich schrie die Worte in den Regen.
»John, finde ihn! Finde ihn schnell! Es bleibt uns nicht mehr viel Zeit. Du mußt dich beeilen. Zwei Tage, mehr nicht. Beeil dich…«
Seine Stimme wurde schwächer und leiser.
Dennoch wollte ich von ihm mehr Informationen bekommen. »Wo steckst du, Bill? Wo hat man dich hingeschafft? Rede doch…«
»Keine Zeit mehr, John, keine Zeit. Beeil dich… schnell, du mußt sehr schnell …«
Schluß, vorbei…
Ich hörte ihn nicht mehr, und ich sah auch die Maske nicht. Der Dauerregen schien sie weggewischt zu haben. Ich schaute in einen leeren Garten, und mein Blick war ebenso leer.
Sehr langsam ging ich wieder zurück. In meinem Innern befand sich einiges in Aufruhr. Die Gegenseite hatte mir meine eigene Unzulänglichkeit deutlich vor Augen geführt. Sie wußte genau, wie man einen Menschen packen konnte. Es gab Tricks, und an die hatte sich die Maske und die Kräfte, die hinter ihr standen, gehalten.
Meine Füße hinterließen auf dem Teppich feuchte Schmutzflecken.
Es war egal; niemand würde sich darum kümmern. Der Regen rann mir aus den Haaren und tropfte zu Boden. Mein Gesicht war naß.
Automatisch schloß ich die Tür wieder.
Nadine kroch aus ihrer Deckung hervor. Wir beide schauten uns gegenseitig an. Abermals wiederholte ich einen Satz, den ich schon sehr oft zu ihr gesagt hatte.
»Wenn du nur reden könntest, Nadine. Wenn dir das einmal gelänge.« Für mich wäre da eine Menge gewonnen. Nadine mußte einfach Dinge kennen, hinter die ich bisher noch nicht hatte blicken können.
Sie drehte den Kopf weg und trottete aus dem Wohnraum. Die Wölfin kam mir in diesen Augenblicken niedergeschlagen vor. Wie sie, fühlte auch ich. Man hatte mich regelrecht vorgeführt.
Diese Tatsache, entfachte in mir auch etwas anderes. Einen ungeheuren Zorn, eine Wut, die sich in einer lodernden Flamme ausbreitete und mich überflutete.
Ich war fest entschlossen, es den jenseitigen Kräften zu zeigen. Die Maske sollte nicht gewinnen, und ich wollte meinen Freund Bill zurückhaben.
Die Anfahrt des Wagens hatte ich nicht gehört. Dafür vernahm ich das öffnen der Tür.
Jetzt kam ein weiteres Problem auf mich zu. Und das hieß Sheila Conolly…
***
Ich hörte ihre und Johnnys Stimme in der Diele. Die beiden beschwerten sich über das Sauwetter. Sie zogen ihre Mäntel aus, wechselten die Schuhe, und Sheilas erster Weg führte sie in den Wohnraum, wo ich naß wie ein begossener Pudel stand.
Sheila trug noch ihren Jogging-Anzug und rieb ihre Schultern.
»Was ist das kalt«, sagte sie. »Habt ihr die Tür…?« Dann sah sie mich, kam näher und schüttelte den Kopf. »John, was ist los?« Ihre Stimme schwankte leicht.
An der Tür sah ich Johnny und Nadine auftauchen. »Bitte, Sheila, schick die beiden weg!« bat ich flüsternd.
»Wo steckt Bill?«
»Bitte, Sheila…«
»Schon gut.« Sie drehte sich um und schob Johnny aus dem Raum, dem ich kurz zugelächelt hatte. »Du weißt doch, daß nach dem Turnen immer geduscht wird. Das ist jetzt wichtig.«
»Aber ich habe nicht geschwitzt, Mum.«
»Unter die Dusche mit dir.«
»Okay, Mum, okay. Immer wieder wird man hier bevormundet. Komm, Nadine, du kannst zuschauen.«
Johnny kam allmählich in das Alter, wo Kinder widersprechen, einfach widersprechen müssen, weil es zu einer normalen Entwicklung gehört und die Conollys auch keine Duckmäuser erziehen wollten.
Um sicherzugehen, begleitete Sheila ihren Sohn noch bis zum Bad, dann kehrte sie zurück in den Wohnraum, wo ich mit zwei
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