Das Gift von Argus
1.
Obwohl das Gebäude des Extrasolaren Planeten-Erforschungs- und Normierungsdiensts – kurz ExPEND genannt – strengstens bewacht wurde, fragte nicht ein einziger der vielen Posten nach Commander Conrads Dienstausweis, dafür grüßten alle zackig, als der vielfache Ordensträger zum vierundzwanzigsten Stock hochfuhr. Es war vierzehn Uhr achtundzwanzig, er war also pünktlich.
Des Direktors Sekretärin war eine vollbusige Blondine mit umwerfendem Sex-Appeal. Menschliches Personal galt als Statussymbol, aber es gab nicht mehr viele, die es sich leisten konnten.
»Guten Tag, Commander Conrad. Der Herr Direktor erwartet Sie selbstverständlich, er ist nur im Augenblick noch unabkömmlich …«
Conrad unterbrach sie. »Das heißt wohl, daß er noch nicht vom Mittagessen zurück ist.«
Die Sekretärin ignorierte seine Bemerkung und bot ihm einen Sessel an, doch Conrad zog es vor, zum Fenster hinauszuschauen. London hatte sich beachtlich verändert, seit er zum letztenmal hier gewesen war. Wo einst der Buckingham-Palast gestanden hatte, erhob sich nun der Europa-Verwaltungsturm mit seiner Glas-Hiduminium-Front hundert Stockwerke hoch, und wo die Nationalgalerie gewesen war, befand sich jetzt das Datenverarbeitungszentrum des Raumdiensts der Vereinten Nationen.
»Commander Conrad, der Herr Direktor läßt bitten.«
Conrad betrat das für seinen Geschmack allzu luxuriöse Büro.
»Ich hoffe, Sie mußten nicht zu lange warten, Commander Conrad!«
»Sechs Minuten.« Sollte der andere doch entscheiden, ob er das als lange oder nicht empfunden hatte.
»Setzen Sie sich, Conrad. Wir haben viel zu besprechen.«
Ah, jetzt war er also nur Conrad, ohne Rang. »Danke – Sir.« Es gelang ihm, einen Hauch Ironie in das letzte Wort zu legen.
Der Direktor war ein wohlbeleibter Endfünfziger, ein Karrierepolitiker, der im Fall des Falles schnell bereit gewesen war, sein Fähnchen nach dem Wind zu drehen. Er war immer ausschließlich ein Schreibstubenhengst gewesen, auch während seiner aktiven Zeit im Raumdienst.
»Ich möchte Ihre Verbesserungsvorschläge für das im Bau befindliche Überlichtschiff besprechen. Von jenen, die den Maschinenraum betreffen – die ich befürwortet habe – abgesehen, halte ich die Änderungen für unnötig, sie kosten auch viel zu viel. Wieso wollen Sie einen größeren, verstärkten Landedrehkörper? Der der Santa Maria hat sich doch während ihrer drei Aktionen als brauchbar erwiesen.«
»Er hält keinen größeren Belastungen stand, und die Sicherheit des Schiffes beruht auf der Belastbarkeit des Torus. Er wurde, beispielsweise, auf Kratos beschädigt, zum Glück nicht irreparabel. Mit einem Torus von größerem Durchmesser und entsprechend verstärkt, wären wir bei der Wahl der Landeplätze nicht so beschränkt.«
Der Direktor blickte Conrad kalt an. »Ein Torus nach Ihrem Entwurf würde weitere drei Komma fünfundsiebzig Millionen Solar kosten. Das ist unmöglich!«
»Wieso – Sir?«
»Unseres beschränkten Budgets wegen, Mann! Ihr Tiefraumcowboys wißt offenbar überhaupt nicht, was hier auf der Erde vorgeht! Die UN hat finanzielle Schwierigkeiten und ExPEND nicht weniger. Die natürlichen Bodenschätze der Erde sind so gut wie erschöpft.«
»Deshalb sind wir Tiefraumcowboys ja auch so damit beschäftigt, neue Welten zu erschließen, wo es eine lange Zeit keine finanziellen Schwierigkeiten geben wird … Und wie viele Milliarden Solar haben Sie an der Janus-Aktion verloren, Direktor?«
»Das tut hier nichts zur Sache!« donnerte der Direktor. »Die Janus-Aktion war ein Fehlschlag, weil …«
»Weil einer dieser so verdammt klugen SP-10-Roboter, die angeblich einer selbständigen Beurteilung einer Situation und des entsprechenden Handelns fähig sind, die falsche Entscheidung traf!«
Einen Moment brachte der Direktor keinen Ton hervor. Dann faßte er sich. »Commander Conrad, die Ursache der Janus-Katastrophe ist augenblicklich als streng geheim eingestuft. Falls Ihre Behauptung nicht reine Mutmaßung ist, muß ich verlangen, daß Sie mir Ihre Informationsquelle nennen.«
Conrad bedachte ihn mit einem abwertenden Lächeln. »ENTS erhalten nicht umsonst eine Ausbildung, die es ihnen ermöglicht herauszufinden, was sie wissen müssen, um zu überleben.«
»Conrad, ich befehle Ihnen, Ihre Behauptung zurückzuziehen, oder mir Ihre Informationsquelle zu nennen. Ich dulde nicht …«
»Es interessiert mich nicht, was Sie nicht dulden«, unterbrach Conrad ihn barsch. »Ich
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