0516 - Im Netz der Mörderspinne
Herzen.
»Du bist mutig, mein kleiner Freund. Das ist ja hervorragend.«
Über den Kopf des Gnoms hinweg schwang Cristofero seinen Degen und hätte damit den Lachenden Tod fast berührt. Der tänzelte zurück, obgleich ihn die Berührung der Waffe kaum hätte verletzen können. Aber Cristoferos Aktion gab Zamorra Hoffnung, daß der Zeitreisende dem teuflischen Bann des dämonischen Knochenmannes noch nicht ganz erlegen war.
Die verblüfften Soldaten des Erschießungskommandos und auch weitere uniformierte Zuschauer, die sich angesammelt hatten, konnten den Lachenden Tod natürlich nicht sehen und wunderten sich über die seltsame bühnenreife Vorstellung. Keiner kam auf die Idee, daß ihr Capitaine tot sein könnte.
Bis das geschah, worauf Zamorra gewartet hatte: Der Ewige verglühte.
Geschöpfe seiner Art starben nicht, sie gingen hinüber. So nannten sie es zumindest. Was dieses »Hinüber« war, wußte Zamorra nicht. Kein Ewiger hatte jemals zu ihm darüber gesprochen. Aber ihr irdischer Körper verglühte im »Todesfall«. Zurück blieb nur die Kleidung. Leclercs Uniform fiel haltlos in sich zusammen. Und die Soldaten hielten das auch noch für einen Teil der Show, nahmen an, daß Illusionisten am Werk waren, daß all das Teil einer ungewöhnlichen Inszenierung war, Bühnenstück und Gaukelei zugleich, auf offener Bühne mit Zuschauerbeteiligung. Dabei war es im wahrsten Sinne des Wortes tödlicher Ernst. Der Tod lachte.
»Ah, du bist ja mutig, Kleiner. Nun, ich bin durchaus gewillt, dich anstelle deines Herrn zu nehmen. Einen wie dich hatte ich noch nie zum Wegbegleiter. Komm mit mir, schwarzer Zwerg. Du hast deinen Herrn ausgestochen. Er mag vorerst seiner eigenen Wege gehen, auf seine Gesellschaft komme ich später zurück. Nun folge mir.«
Der Gnom stöhnte auf. Er bemühte einen erneuten Zauber, der aber scheinbar ebenso wirkungslos blieb wie der erste. Plötzlich wurde er still, seine Hände sanken herab. Zamorra sah, wie der Lachende Tod sich abwandte. Er schritt einfach davon. Entgeistert stand Don Cristofero da, den Degen noch in der erhobenen Hand. Und der Lachende hatte Zamorra und dem vor seiner Brust hängenden Amulett nicht einmal einen einzigen Blick geschenkt!
Tod und Gnom entfernten sich. Der Lachende Tod jonglierte weiter mit seinem Herzen.
Da wußte Zamorra, daß sie in diesem Jahr gefangen bleiben würden, ob sie Verdun nun überlebten oder nicht. Ohne den Gnom kamen sie nicht mehr in ihre eigene Zeit zurück - Don Cristofero nicht ins Jahr 1673 und Zamorra und Nicole nicht ins Jahr 1993.
Genau das, was unter allen Umständen hätte verhindert werden müssen, war eingetreten.
Es war eines der seltenen Male, daß Zamorra Don Cristofero sprachlos erlebte. Mit offenem Mund sah der Zeitreisende den Entschwindenden nach. Die Hand mit dem Degen senkte sich langsam, bis die Klingenspitze die zusammengefallene Kleidung des hinübergegangenen Ewigen berührte.
Jetzt endlich merkten auch die Soldaten, daß hier nicht alles mit rechten Dingen zuging. Es war der Moment, in dem Zamorra einen neuen Geruch in der Luft wahrnahm.
Von einem Augenblick zum anderen wurde ihm klar, warum sich der Feind zurückgezogen hatte. Und es spielte jetzt auch keine Rolle mehr, ob der Gnom noch bei ihnen war oder nicht.
Was Zamorra roch, war Giftgas.
Der Feind schlug mit seiner furchtbarsten, hinterhältigsten und widerwärtigsten Waffe zu. »Gasangriff!« schrie Zamorra den Soldaten zu. »Wir werden mit Giftgas angegriffen!«
Da rannten sie davon, versuchten sich zu retten, ihre eingegrabenen Quartiere zu erreichen, um sich die Gasmasken aufzusetzen. Cristofero blieb verständnislos zurück - und mit ihm Zamorra und Nicole, die an die Pfähle gefesselt waren.
Sie konnten nicht mehr flüchten…
ENDE
[1] Siehe Professor Zamorra Nr. 514 »Der Schädeltempel«
[2] Siehe Professor Zamorra Nr. 503 »Der Stierdämon«
[3] Siehe Professor Zamorra Nr. 300 »Die Dynastie der Ewigen«, und folgende
[4] Siehe Professor Zamorra Nr. 511 »Der Fluch der Baba Yaga«, Professor Zamorra Nr. 512 »Der lachende Tod«
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