056 - Zielort: Kratersee
Stimme schwieg. Schulterzuckend steckte er das Tablettenröhrchen ein und sah sich um. In einiger Entfernung schimmerten die rauchenden Trümmer des Gleiters durch die Bäume. Anscheinend war er wirklich im letzten Moment abgesprungen.
Mühsam tastete sich Phil an den Stämmen entlang. Seine Knie waren weich und die Kälte kroch an seinem nackten Fuß mit tausend Nadeln empor. Immer wieder drohte der Schwindel ihn zu Boden zu zwingen, aber er ging weiter. Er war kaum noch bei Bewusstsein, als er endlich die Schneise erreichte, die der Gleiter gerissen hatte. Rund um die Trümmer war der Schnee weggetaut. Rauch stieg aus einem abgetrennten Teil des Cockpits empor.
Mit letzter Kraft taumelte Phil darauf zu. Neben dem schwelenden Feuer brach er zusammen, zitternd und mit der Wärme der Flammen auf seinem Körper. Er zog die Beine an, schlang seine Arme darum und schlief schließlich ein.
***
»Bitte geh nicht.«
»Is aba besser so.«
Samtha hockte auf dem fellbedeckten Boden des Zeltes und beobachtete mit verschränkten Armen, wie Pieroo seine Sachen packte. Er besaß nicht viel: die Kleidung, die er am Körper trug, ein Paar Handschuhe, ein Messer zum Essen, ein Schwert zum Kämpfen, Tiersehnen und Knochennadeln. Den Großteil seines Gepäcks machten zwei Deer-Felle aus, die ihm als Decken dienen sollten. Die Soldaten hatten schließlich davon gesprochen, dass es kalt werden würde.
»Was soll aus uns werden, wenn du nicht zurückkommst?«, fragte Samtha und vers uchte ihre Stimme hart klingen zu lassen.
»Ich komm zurügg.« Pieroo sah nicht auf, sondern wühlte scheinbar ziellos in dem längst gepackten Beutel.
»Und wenn nicht? Soll unser Sohn ohne Vater aufwachsen?«
»Du wirsn anneren Mann finne, had Mulay gesacht…« s Samtha spürte plötzliche Wut in sich aufsteigen. »Du hast Mulay meine Zukunft lesen lassen, ohne mich zu fragen?!«
»Nee, hadder so gesacht… Zukunf lese musser noch, hadder noch kei Zeit gehabt.« Pieroo schien ihren Ärger nicht zu bemerken, sondern band ruhig den Beutel zu.
Samtha griff nach seinem Arm. »Hör auf damit!«, schrie sie ihn an. »Hör auf, so zu tun, als ob dir alles egal ist!«
Er riss sich aus ihrem Griff los und sah endlich auf. Samtha zuckte zusammen, als sie die Tränen in seinen Augen sah.
»Glaubs, is einfach?!«, schrie er zurück. »Du, Wyllem, ich kann eu nich ernährn! De Stamm wid vehungern. Dreihunne Visa-Bax kriegme fü di Ex-pe… Exped… fü di Reise, jeder hunnert im Voraus. Dami könnter de Permiit bezahln unne Heiler ausse Stadt. Un Yuli muss nimehr tun, wasse tut. Glaubs, Ru'aley weisse nich? Er weisse. Deshalb gehnmer zusamme, er un ich. Damit du, Yuli, unne Stamm lebe könn!«
Pieroo stand auf und warf sich den Beutel über die Schulter. Wyllem begann unter seinen Tüchern leise zu wein en. Fiigo, ein kleiner Nager, der wie eine Mischung aus Stinktier und Streifenhörnchen aussah, blieb verängstigt in einer Ecke hocken. Ebenso wie Samtha hatte er Pieroo noch nie schreien gehört.
»Wenn das ein schlechter Moment ist«, sagte eine dunkle Stimme von der anderen Seite der Zeltwand, »kann ich auch später wiederkommen.«
Samtha strich sich mit der Hand über das Gesicht und nahm ihren Sohn auf die Knie.
»Nein«, antwortete sie dann, »du bist willkommen.«
Der Eingang wurde zurückgeschlagen, dann betrat Mulay das Zelt. Er blieb stehen und betrachtete Pieroo und Samtha, bevor er sich auf den Boden hockte. Es war klar, dass er die Auseinandersetzung gehört hatte, auch wenn die Höflichkeit verlangte, über alles zu schweigen, was man durch die dünnen Wände eines Zeltes hörte. Samtha bezweifelte allerdings, dass er viel verstanden hatte. Pieroos schauerlicher Akzent - er stammte aus Doyzland und war einst ein Stammesführer bei Laabsisch gewesen (Deutschland und Leipzig; [2] )- machte jede Unterhalt ung zu einem Ratespiel.
»Die Feuergötter haben mir eine Vision deiner Zukunft gezeigt, Pieroo«, sagte Mulay.
»Soll ich sie vor deinem Weib vortragen oder möchtest du allein mit mir reden?«
»Issgud. Mach scho.«
Samtha fing den irritierten Blick des Schamanen auf. »Er sagt, du kannst vor mir sprechen«, übersetzte sie.
»Gut. Dann setz dich.«
Pieroo ließ den Beutel fallen und hockte sich neben ihm auf den Boden. Mit einem Sprung landete Fiigo in seinem Schoß. Er schien zu spüren, dass der Ausbruch vorüber war.
»Es wird eine lange, harte Reise«, begann Mulay. »Der Ursprung Kristofluus ist euer Ziel, aber sein böser
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