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0571 - Die Legende vom grauen Riesen

0571 - Die Legende vom grauen Riesen

Titel: 0571 - Die Legende vom grauen Riesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Schädel, der auf sie den Eindruck einer perfekt abgeschliffenen Kugel machte. Sie sah Augen, aber keine Brauen. Sie sah eine Nase von der Größe eines Menschen und einen Mund, dessen blasses Rot der Lippen sich deutlich vom Gestein abhob. Gewaltige Ohren rahmten den Kopf ein, den Hals konnte sie nicht erkennen, weil von den Schultern etwas hochwuchs – wie ein Kragen aus schwarzem Gestein.
    Der Kopf schien auf den dunklen Felsen zu liegen, denn die weiteren Maße des Körpers sah sie nicht.
    Das also war die Gestalt…
    Wilma stand zitternd da. So ähnlich wie sie mußte sich eine Maus vorkommen, die zu einem Elefanten hochschaute. Nur hatte es die Maus zumeist geschafft, den Elefanten zu besiegen. Bei ihr würde das nicht möglich sein. Außerdem wollte sie es nicht.
    Die schwarze Schlange löste sich von ihrem Hals und glitt geschmeidig über den Arm hinweg und an der Hüfte entlang in Richtung Boden, wo sie in einer Felsspalte verschwand.
    Wilma folgte ihr mit den Blicken. Etwas zu lange. Als sie wieder hinschaute, verdunkelte eine gewaltige Fläche ihr eigentliches Blickfeld.
    Es war eine Hand.
    Die Hand des Riesen!
    Wilma konnte nicht mehr weg. Sie vernahm noch ein knarrendes Geräusch, als würden in ihrer Nähe Felsen auseinanderbrechen.
    Dann spreizten sich die Finger zur Klaue – und packten zu.
    Wilma schrie nicht, sie röchelte nur, als sie plötzlich in der Klaue steckte und nur mehr mit dem Kopf hervorschaute.
    Ein Arm erschien. Auf seinem Rückweg wurde er angewinkelt, leicht gedreht und mit ihr die Gefangene.
    Sie schaute auf den Mund, der sich zu einem scheunentorgroßen Maul öffnete.
    Ein mörderischer Schlund, in dem es heulte und brauste. Wind schlug ihr entgegen, vermischt mit Staub und kleineren Steinen.
    Schreien konnte sie nicht mehr.
    Es trat das ein, was Wilma in ihren Träumen gesehen hatte. Wie eine Fliege im Maul eines Frosches, so verschwand die einsame Frau im Schlund des Riesen.
    Zwei Tage später fanden Fischer ihre Leiche. Sie hing verdreht in einem der starken Netze. Es sah aus, als wäre die Frau aus großer Höhe zu Boden gestürzt und hätte sich sämtliche Knochen gebrochen.
    Die Fischer wurden blaß. Sie legten sie in eine entfernte Ecke an Bord, besprühten sie mit geweihtem Wasser und bekreuzigten sich, während ihre Blicke dorthin glitten, wo eine gewisse Insel lag, die sie lieber nicht anliefen.
    Mit voller Kraft steuerten sie der Küste entgegen…
    ***
    Kleine Messer durchstachen den dünnen Jackenstoff und das Hemd und drangen in den Unterarm.
    Trotzdem saß Dr. Ward bewegungslos und beobachtete die Patientin. Er unterdrückte die Schmerzen.
    Lucy Freeman, die Frau mit dem wilden, blonden Lockenhaar, lag auf der weichen Ledercouch. Sie wälzte sich von einer Seite auf die andere. Der graue, kniekurze Rock war bis zu den Oberschenkeln hochgerutscht und ließ die Strapse erkennen.
    Lucy Freemans Brust hob und senkte sich unter den schweren Atemzügen. Ebenso stark spannten sich die Knöpfe an der schneeweißen Bluse. Auf der Stirn lag Schweiß. Lucys Mund stand halboffen, manchmal schlug die Zunge hervor, als würde sie jedesmal einen Anstoß bekommen. Die Augen waren verdreht. Angst zeichnete das Gesicht, aber Lucy Freeman war zu Dr. Ward gekommen, um die Angst loszuwerden.
    Jetzt kämpfte sie in einem Zustand dagegen an, der einer Hypnose glich. Sie spie ihre Träume förmlich hervor. Jedes Wort begleitete sie durch einen kleinen Sprühregen aus Speichel.
    »Er… er ist da …«, ächzte sie. »Mein Gott, er ist da. Er nimmt mich, er umklammert mich, er tötet mich, er schiebt mich in sein Maul, er zerquetscht mich zwischen seinen Fingern. Der Riese, der graue Riese, er nimmt und tötet …«
    Mit dem letzten Wort sackte sie zusammen. Der Körper verlor all seine Kraft, Lucy Freeman blieb schlaff auf der Ledercouch liegen.
    Tränen rollten über ihre Wangen, bevor sie im weißen Kragen der Bluse versickerten.
    Dr. Ward spürte noch immer den Griff an seinem rechten Arm.
    Der Nageldruck hatte nachgelassen. Mit der freien Hand umfaßte er das Gelenk und streifte die Hand ab.
    Lucy lag jetzt ruhiger da. Sie würde bald wieder erwachen. Dr. Ward kannte dies. Der Höhepunkt war überschritten. Die Patientin würde allmählich hochsteigen aus einem seelisch sehr labilen Zustand und sich zunächst nicht zurechtfinden. Da mußte er sie in Ruhe lassen.
    Er schaltete das in Griffweite stehende Tonbandgerät ab. Die Aufnahme hatte er ausdrücklich mit der Einwilligung der

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