0571 - Die Legende vom grauen Riesen
verschiedenen Fahrzeuge. Auch Sukos BMW parkte vor dem Haus.
»Finden wir am Lokal genügend Parkplätze?«
»Klar, an der Rückseite. Dort gibt es einen großen Platz nur für Gäste.«
»Dann mal los!«
»Du kannst trinken.« Suko ließ den Motor an und freute sich wieder über den Spund. »Ich werde dich an deinem Ehrentage fahren.«
Ich prustete los. »Ehrentag ist gut. Schließlich werde ich wieder ein Jahr älter.«
»Sei froh, daß du noch lebst. Bei dem Job, den wir haben, keine Selbstverständlichkeit.«
»Nun ja…«
»Du denkst an Will, oder?«
»So ungefähr. Ich komme einfach nicht davon los. Er hat mich nicht einmal angerufen. Deshalb rechne ich damit, daß er sich auch hier zeigen wird.«
»Und wir müssen uns vor Dracula hüten.«
»So ist es.«
Wir waren als letzte gefahren. Vor uns rollte Bill Conolly. Er hatte seinen Porsche genommen. Sir James war mit dem Fahrer eingetroffen, saß aber bei Jane und Lady Sarah im Wagen, ebenso wie Glenda Perkins. Hinter uns hockte noch Johnny, mein Patenkind.
»Starkes Auto«, schwärmte er.
Diese Worte waren Wasser auf Sukos Mühle. »Und wie, mein Junge. Der Wagen ist für mich ein Traum.«
Bis zum Ziel unterhielten sich die beiden über die Vorteile des BMW. Nachteile kamen nicht zur Sprache.
Ich hielt mich da raus und schaute aus dem Fenster. An diesem Sonntagabend war es selbst in London ziemlich ruhig. Das mochte auch am Wetter liegen. Es war ziemlich kalt geworden. Ein nasse, feuchte Kälte, die durch die Kleidung kroch.
Schnee war nicht gefallen, aber über der Stadt hatte tagsüber eine leichte Smogwolke gelegen.
Das »Tessin« befand sich in einem der neuen Teile Sohos. Den alten Stadtteil, wie man ihn von früher her kannte, auch zu Zeiten Jack the Rippers, gab es nicht mehr. Es war viel saniert und gebaut worden, oft genug zum Schaden der Bewohner, und man versuchte jetzt, dem Bauboom entgegen zu wirken. Ob das allerdings klappte, war mehr als fraglich.
Der Besitzer des Lokals, ein dunkelhaariger Italo-Schweizer mit einem gewaltigen Schnauzbart begrüßte uns per Handschlag und bat uns an den gedeckten Tisch. Sein Restaurant war nicht besonders groß und mit uns fast voll geworden.
Ich mußte mich an den Kopf der Tafel setzen. Zur Begrüßung gab es italienischen Sekt. Knalltrocken, nicht jedermanns Geschmack, aber mir tat er gut.
In einer kurzen Tischrede bedankte ich mich noch einmal für die Einladung, das Geschenk und die guten Wünsche. Zum Schluß der kleinen Rede fiel mein Blick auf die zahlreichen Bestecke, die rechts und links neben den Tellern lagen.
»Wenn ich sie nachzähle, dann habe ich das Gefühl, daß ich heute noch gemästet werden soll.«
»Nicht nur du!« rief Bill, »wir alle.«
»Wer hat denn das Menü ausgesucht?«
Sheila und Jane hoben die Arme. »Wir haben es gemeinsam getan«, sagte die Detektivin. »Du kannst übrigens sicher sein, daß es dir besser schmecken wird als vor einigen Wochen im Horror-Restaurant.«
»Das glaube ich auch.«
Der Wirt kam, bevor ich noch die kleine Menükarte lesen konnte, die jeder neben seinem Teller liegen hatte. »Ich habe hier noch eine kleine Überraschung«, erklärte er und stellte eine Geburtstagstorte auf den Tisch. Sie sah schlicht aus, ohne großen Pomp, dafür mit viel Sahne bedeckt. Eine brennende Kerze stand in der Mitte.
»Wer hat die denn bestellt?« rief ich.
»Keiner der Herrschaften!« erklärte der Wirt. »Sie ist vorhin hier abgegeben worden.«
»Von wem?«
Der Schnauzbart hob die Schultern.
»Das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen.«
»Wie sah der Mann denn aus?«
»Sorry, Mr. Sinclair. Es war ein Bote. Er gehörte zu einer privaten Transportfirma.«
»Ja, danke, schon gut.«
»Soll ich noch mit dem Vorgericht warten?« erkundigte sich der Mann. »Ich meine, Sie werden die Torte anschneiden wollen. Das ist doch so Brauch.«
»Ja, John, tu das!«
»Du hast gut reden, Suko. Wenn ich ein Stück esse, bin ich schon so gut wie satt.«
»Das mache ich dann!« rief Johnny.
»Wie du willst.« Der Junge gehörte zu den Menschen, die mit einem beneidenswerten Appetit gesegnet waren. Er konnte oft und viel essen, ohne daß er zunahm. Nur größer wurde er.
Ein Messer lag daneben. Als ich es anfaßte, wehte Lady Sarahs Flüstern über den Tisch. Ihre Bemerkung wurde von allen gehört.
»Hoffentlich schneidest du nicht in eine Bombe.«
Die Klinge schwebte bereits über der Torte, aber ich schnitt sie nicht an.
»Hör doch, auf, so etwas
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